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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 2|2020

AURELIUS erneut Opfer einer Short-Seller-Attacke

17. Februar 2020

Vor wenigen Tage wurde das börsennotierte Unternehmen AURELIUS Equity Opportunities SE & Co. KGaA nach 2017 bereits zum zweiten Mal Opfer einer Leerverkaufsattacke (Short-Seller-Attacke). Beim ersten Angriff führte ein „Research-Report“ von Gotham City Research LLC dazu, dass bei der AURELIUS-Aktie innerhalb kurzer Zeit ca. eine halbe Milliarde an Börsenwert vernichtet wurde. Nun wurde von ONTAKE Research ein 48-seitiger Bericht veröffentlicht, in dem AURELIUS im Kern Bilanzmanipulationen vorgeworfen wurden. Im Ergebnis sei laut ONTAKE die AURELIUS-Aktie nur EUR 0,04 wert. Innerhalb von wenigen Minuten brach die Aktie von AURELIUS um gut 18 Prozent ein und lag mit EUR 29,34 so niedrig wie zuletzt vor mehr als fünf Jahren. Der Umsatz war 16-mal so hoch wie an einem Durchschnittstag.

AURELIUS reagierte schnell, umfangreich und abgestuft auf die Anschuldigungen von ONTAKE:

  1. Stellungnahme mit Zurückweisung der Anschuldigungen am 30.01.2020;
  2. Ad-hoc-Ankündigung eines Rückkaufprogramms über EUR 30 Millionen am 31.01.2020;
  3. Umfangreiche 14-seitige Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen am 03.02.2020;
  4. Verweis auf die BaFin-Warnung (siehe unten) am 04.02.2020 und
  5. Mitteilung über erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft vom 10.02.2020.

Wirklich erholt hat sich die AURELIUS-Aktie trotz dieser Anstrengungen zwar bisher nicht. Es ist aber natürlich dennoch ratsam, sich auf mögliche Short-Seller-Angriffe entsprechend vorzubereiten. Dies zum einen, weil die Häufigkeit solcher Angriffe eher zu- als abnimmt. Und zum anderen, weil es potenziell zu sehr großer Wertvernichtung kommt. Der Vorstand muss die Geschäfte der Gesellschaft zudem mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters führen und hat dabei die Interessen der Aktionäre zu berücksichtigen, was auch beinhalten kann auf möglicherweise drohende Risiken oder Gefahren, wie Leerverkaufsattacken, vorbereitet zu sein.

Die BaFin reagierte auf den Bericht von ONTAKE am 04.02.2020 übrigens mit einer Warnung. Demnach ist die Anlageempfehlung von ONTAKE zu AURELIUS erfolgt, obwohl von ONTAKE keine Tätigkeitsanzeige nach § 86 Absatz 1 WpHG vorgelegen hat. Abschließend empfiehlt die BaFin sich vor Anlageentscheidungen aus mehreren Quellen zu informieren und dabei auf deren Seriosität zu achten.

Zu prüfen haben BaFin und Staatsanwaltschaft nun, ob ONTAKE gegen rechtliche Vorgaben verstoßen hat. Vordergründig ist dabei an die Vorgaben der Leerverkaufsverordnung (Short Selling Regulation, SSR) und der Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR) zu denken. Was Letztere betrifft könnten insbesondere die Bestimmungen bezüglich Marktmanipulation und Anlageempfehlungen verletzt worden sein. Neben den aufsichtsrechtlichen Aspekten sind jedoch auch Schadenersatzansprüche denkbar (Details hierzu können Sie in meinem Buch „Short-Selling-Regulierung in Europa und den USA“ nachlesen).

Die bisherige rechtliche Aufarbeitung von Short-Seller-Attacken in Deutschland hat sich als schwierig erwiesen. Die BaFin hat seit 2016, wo die ersten Leerverkaufsattacken (Wirecard/Zatarra und Ströer/Muddy Waters) stattgefunden haben, zwei Hinweise zum Verbraucherschutz und zwei Warnungen bezüglich fehlender WpHG-Tätigkeitsanzeigen veröffentlicht. Im Fall der Financial Times-Beschuldigungen gegen Wirecardhat die BaFin 2019 erstmals mit einer Allgemeinverfügung zum Verbot der Begründung und Vergrößerung von Netto-Leerverkaufspositionen reagiert. Damit wurde das „Shorten“ von Wirecard für zwei Monate verboten. Nur in einem einzigen Fall steht bisher eine Sanktionierung eines Short-Sellers im Raum: Beim Amtsgericht München liegt ein Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen den Verantwortlichen für eine negative Stellungnahme (Fraser Perring von Zatarra Research) zu Wirecard, die während einer solchen Short-Seller-Attacke veröffentlicht worden war, auf einen Strafbefehl über EUR 36.000.

Dr. Sebastian Sieder

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