MP-Law-Logo weiß

Newsletter Kapitalmarktrecht Issue 7|2020

EU-Kommission schlägt MiFID II-Erleichterungen vor

15. Oktober 2020

Die Europäische Kommission hat am 24.07.2020 ein Maßnahmenpaket veröffentlicht, das Teil ihrer Strategie für eine Erholung der Kapitalmärkte von den Folgen der COVID-19 Krise ist. Mit dem Paket will die EU-Kommission krisenbedingt unter anderem auch die MiFID II gezielt anpassen (vgl für den Richtlinienvorschlag zur Änderung der MiFID II: 2020/0152(COD)). Darin wünscht sich die Kommission einige Erleichterungen, die in der Praxis sicherlich auf Zustimmung stoßen werden.

  1. Die Kommission schlägt etwa die schrittweise Abschaffung der Standardkommunikation in Papierform vor. Demnach sollen Dokumente zukünftig in elektronischer Form übermittelt werden. Kleinanlegern soll aber eine Wahlmöglichkeit verbleiben. Obwohl die MiFID II von einer Informationsbereitstellung auf einem dauerhaften Datenträger ausgeht, ist oftmals trotzdem die nicht mehr zeitgemäße Papierform in der Praxis vorherrschend. Der Vorschlag einer digitalen Öffnung der Informationsbereitstellung ist uneingeschränkt zu begrüßen und die Umsetzung würde die „Papierflut“, der die Anleger ausgesetzt sind, eindämmen und nebenher auch die Umwelt schonen.
  2. Erleichterungen wünscht sich die Kommission auch bei der Kostentransparenz. Dafür soll eine Ausnahme für geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden bei anderen Dienstleistungen als Anlageberatung und Portfolioverwaltung vorgesehen werden. Hintergrund hierfür ist, dass geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden von der Kostentransparenz keinen Nutzen haben, da sie oftmals selbst entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen der jeweiligen Transaktion nehmen.
  3. Auch die Möglichkeit einer späteren Übermittlung von Kosteninformationen bei Verwendung von Fernkommunikationsmitteln schlägt die Kommission sinnvollerweise vor. Die Kommission anerkennt dabei, dass viele (wahrscheinlich die allermeisten) Transaktionen telefonisch oder online abgeschlossen werden. Die vorab Kosteninformation kann dazu führen, dass der Kunde durch die Verzögerung einen Kursverlust hinnehmen muss. Daher schlägt die Kommission begrüßenswerter Weise die Möglichkeit einer späteren Kosteninformation vor.
  4. Auch bei der nachträglichen Berichtspflicht (bei einem Verlust ab 10% des Portfoliowertes) wünscht sich die Kommission Erleichterungen. Die Berichtspflicht bezüglich der Verluste zum Tagesabschluss soll für geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden nicht mehr gelten bzw nur mehr optional sein. Erklärend führt die Kommission aus, dass ex-post-Berichte in der COVID-19-Pandemie aufgrund hoher Volatilität im Markt für (bestimmte) Kunden sogar verwirrend waren.
  5. Um die schnelle Kapitalisierung der Realwirtschaft iZm der Krise zu fördern, sieht die Kommission eine Opt-out-Möglichkeit für professionelle Anleger bei der Kosten-Nutzen-Analyse im Fall von Produktwechseln vor. Auch hierbei ist an der hinzugewonnenen Flexibilität nichts Negatives zu finden.
  6. Der Kommissionsvorschlag sieht zudem auch eine Aufhebung der Product-Governance-Pflichten für einfache Unternehmensanleihen mit Make-Whole-Klauseln vor. Make-Whole-Klauseln sollen Gläubiger vor einer vorzeitigen Rückzahlung der Anleihe durch Zahlung der Zinsen bis zur Endfälligkeit schützen.
  7. Die Kommission tritt auch für eine Aussetzung der Pflicht von Handelsplätzen und systematischem Internalisieren zur Veröffentlichung von Berichten zur bestmöglichen Ausführung („best execution“ enthalten Angaben zu Preisen, Kosten, Durchführungsdauer etc) ein, da der Aufwand der Berichterstattung hoch ist und Anleger die Informationen nicht abrufen.
  8. Zuletzt sieht der Kommissionsvorschlag auch noch Änderungen bezüglich Warenderivaten vor.

Die Kommission schlägt auch eine Änderung der delegierten Richtlinie zur MiFID II vor, um für kleine und mittelgroße Emittenten (Marktkapitalisierung von weniger als EUR 1 Mrd) sowie für den Bereich Anleihen mehr Finanzanalysen verfügbar zu machen.

Da die Kommission die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abmildern will, wünscht sie sich verständlicherweise eine zeitnahe Anwendung der Änderung. Sie geht deshalb davon aus, dass die vorgeschlagene Änderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Kraft treten sollte. Die Richtlinie muss aber noch von den Mitgliedsstaaten innerhalb von neun Monaten angenommen und veröffentlicht sowie binnen zwölf Monaten angewendet werden. Schnelle MiFID II-Erleichterungen wird es daher leider nicht geben.

Dr. Sebastian Sieder