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Newsletter Capital Markets/Finance Issue 6|2017

ICO statt IPO – Was man unter Initial Coin Offering versteht

27. September 2017

Während in der Finanzdienstleistungsbranche das Kürzel „IPO“, also das mit einem Börsegang verbundene erstmalige öffentliche Anbieten von Aktien eines Unternehmens, breitflächig bekannt ist, taucht mit dem „ICO“ (Initial Coin Offering) in letzter Zeit verstärkt ein Begriff auf, der noch keinen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Dabei handelt es sich um ein neues Finanzierungsmodell, das vor allem jungen Unternehmen helfen soll, auch ohne die Beteiligung von Venture Capitalists an das nötige Startkapital zu gelangen.

Bei einem ICO werden unternehmenseigene Wertträger, sogenannte Coins oder Tokens (basierend auf der Blockchain-Technologie) in vordefinierter Anzahl kreiert und (meist in verschiedenen Tranchen) dem Publikum angeboten. Erwerben kann man die neuen Coins durch Tausch gegen Einheiten anderer Kryptowährungen. Das auf diese Weise vom Anbieter generierte Kapital wird in die Weiterentwicklung des Start-Ups investiert, wodurch eine Wertsteigerung des Unternehmens und letztendlich auch der Coins selbst herbeigeführt werden soll.

Interessant sind hier uE drei Aspekte: (i) Ein ICO ist für die Anbieter „bequem“, weil er sich im Gegensatz zum öffentlichen Anbieten von Finanzinstrumenten außerhalb jeder Kapitalmarktregulierung bewegt. (ii) Der Coin-Anbieter gewährt den Käufern der Coins weder einen Rückzahlungs- oder Zinszahlungsanspruch, noch irgendeine Art von Beteiligung an seinem Unternehmen. (iii) Zum Zeitpunkt des ICOs besteht idR weder eine Verkaufsmöglichkeit über eine Handelsplattform (eine solche wird aber für die Zukunft angestrebt), noch kann der Coin sofort irgendwo als Zahlungsmittel verwendet werden.

Während ICOs also für den Anbieter überaus vorteilhaft sind, muss man natürlich die Frage stellen, wieso ein Investor sich auf eine solche Anlagemöglichkeit einlassen sollte. Dies kann man uE nur mit dem derzeitigen Boom bei Kryptowährungen erklären. Der Anleger wettet quasi darauf, dass der neue Coin erfolgreich sein wird, sprich: dass sein Kurs steigen und er später über eine Handelsplattform mit Gewinn verkaufen (oder den dann wertgesteigerten Coin als Zahlungsmittel verwenden) kann. Im Gegensatz zu Aktien, hinter denen idR reale Vermögensgegenstände eines Unternehmens liegen, basiert hier also Vieles auf steigender Investorennachfrage, was wiederum Vertrauen der Anleger in die neuen Coins voraussetzt.

Zu all dem gesellt sich noch ein steuerliches Thema: Es ist zwar höchstgerichtlich entschieden, dass Umsätze durch den Tausch konventioneller Währungen in Bitcoins von der Umsatzsteuer befreit sind (vgl. EuGH 22.12.2015, C-264/14 – Hedqvist). Ob dies hingegen auch für den Tausch neuer Coins in Bitcoins, Ether etc. gilt, ist nicht zweifelsfrei geklärt.

MAG. DOMINIK ALEXANDER WAGNER, BA

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