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Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2020

Judikatur: Zur materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts bei Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils

16. Juli 2020

In der Entscheidung 6 Ob 3/19a nahm der OGH in einer streitigen Firmenbuchsache zur Frage Stellung, ob das Firmenbuchgericht bei der Anmeldung der Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils neben der formellen auch dessen materielle Richtigkeit prüfen kann. Darüber hinaus äußerte er sich jedoch zu einer Reihe strittiger Rechtsfragen, die sich aus der entscheidungsgegenständlichen, durchaus komplexen, Vertragsgestaltung eines Abtretungsvorgangs über einen GmbH-Geschäftsanteil ergaben. In dessen Mittelpunkt stand die Frage unter welchen Umständen überhaupt ein annahmefähiges Anbot auf Abtretung eines Geschäftsanteils besteht und welche Grenzen in diesem Zusammenhang zu beachten sind. Dadurch bekommt die Entscheidung auch in der Praxis Relevanz. Die Kernaussagen des OGH:

  • Entgegen zum Teil in der Literatur geäußerter Meinungen bestehen laut Höchstgericht bei vereinfachten Anmeldungen nach § 11 FBG keinerlei Einschränkungen der materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts. Hat das Firmenbuchgericht Zweifel an der Rechtswirksamkeit des Abtretungsvorgangs, kann es dessen rechtliche Grundlagen prüfen und zu diesem Zweck auch die Vorlage des Notariatsakts verlangen.
  • Bei der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen ist eine Vielzahl von Vertragsgestaltungen möglich, so auch die Aufspaltung in ein gesondertes Anbot und Annahme. Ob überhaupt ein annahmefähiges Angebot vorliegt kann unklar und im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein, insbesondere wenn dieses unter mehreren Bedingungen und Befristungen abgegeben wird. Schwierigkeiten bei dieser Beurteilung können dafür sprechen, ein Anbot lediglich als Anbot auf Abschluss eines künftig abzuschließenden separaten Abtretungsvertrags zu deuten, sodass dieses lediglich eine – allenfalls gerichtlich durchsetzbare – Verpflichtung auf Abschluss eines Abtretungsvertrags begründet.
  • Sofern ein annahmefähiges Anbot den Offerten über einen längeren Zeitraum ohne Widerrufsmöglichkeit dazu verpflichtet, den Geschäftsanteil zur bloßen Nominale anzutreten, ist das Verbot der laesio enormis zu beachten. Dieses ist uneingeschränkt auf Anbote auf Abtretung eines Geschäftsanteils anzuwenden.
  • Nicht abschließend klärte der OGH die Frage der maximal zulässigen Dauer der Selbstbindung des Offerten, stellte jedoch unter Verweis auf das Verbot der übermäßig langen Vertragsbindung nach § 6 Abs 1 Z 1 KSchG und der allgemeinen Grenzen der Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB klar, dass eine unangemessen lange Selbstbindung des Offerten und die dadurch bedingte beschränkte Dispositionsfreiheit über den Geschäftsanteil, unzulässig sein kann.

Mag. Stefanie Ringhofer, LL.M.

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