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Newsletter Corporate/M&A Issue 3|2022

Listing Act und Gesellschaftsrecht

3. Oktober 2022

Da die Zahl der Börsenotierungen in der EU in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat, hat sich die EU-Kommission mit dem sogenannten Listing Act das Ziel gesetzt diesen Trend möglichst umzukehren. Die EU-Kommission hat diesbezüglich 118 Fragen hinsichtlich Verbesserungspotenzial an den Markt gestellt. Dabei werden viele kapitalmarktrechtliche Kernrechtsakte (ProspektVO, MAR etc) teilweise sogar grundlegend auf den Prüfstand gestellt (siehe Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 4|2022, „EU will Börsenotierungen erleichtern“). Was man vom Listing Act eigentlich nicht erwarten würde, ist, dass er sich auch dem Gesellschaftsrecht widmet.

So sieht die Kommission Mehrstimmrechte als essentiell für eine Verbesserung der EU-Kapitalmärkte an. Mehrstimmrechtsaktien werden nämlich als stabilisierende Faktoren für Gründer, Initiatoren und Kernaktionäre angesehen. Derzeit sind Mehrstimmrechte in Österreich (wie auch in Deutschland) verboten (vgl dazu Newsletter Corporate/M&A Issue 4|2021, „Gestaltungmöglichkeiten für Stimmrechte in der Satzung: Zwischen Höchststimmrecht und Super Voting Shares“). In Deutschland ist man hier aber schon vorgeprescht: Das kürzlich vom deutschen Bundesfinanzministerium veröffentlichte Eckpunktepapier für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz schlägt die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien vor. Damit wird eine Idee aufgegriffen, die unter anderem auch von der Deutschen Börse befürwortet wird und im Koalitionsvertrag der deutschen Ampelkoalition enthalten ist. In den USA sind super voting rights schon lange ein wichtiges Instrument, insbesondere um Gründern auch im Falle eines going public ausreichend Einfluss zu bewahren. Durch die damit geschaffene Flexibilität könnte dies einen potenziellen Wendepunkt für das deutsche Aktienrecht darstellen, der insbesondere für Startups und wachstumsstarke Unternehmen ein enormes Potenzial bietet.

Die Kommission spricht auch Corporate-Governance-Standards für KMU, die an KMU-Wachstumsmärkten notieren, an. Derzeit gibt es in Österreich noch keinen „echten“ KMU-Wachstumsmarkt. Der direct market plus der Wiener Börse, welcher primär KMU adressiert, ist ein „gewöhnliches“ multilaterales Handelssystem. Corporate-Governance-Standards für KMU könnten zu deren Attraktivierung beitragen, wobei natürlich damit auch immer Kosten auf Seiten der KMU einhergehen werden.

Bis Februar 2022 hatten Marktteilnehmer Zeit, der Kommission zu ihren Fragen Input zu geben. Die Kommission wird sich nunmehr mit den Antworten der Marktteilnehmer auseinandersetzen. Ein Legislativvorschlag wird in Kürze erwartet.

Dr. Sebastian Sieder

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