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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht Issue 7|2018

Muss die Krankheit einer Führungskraft ad-hoc veröffentlicht werden?

8. Oktober 2018

Schwere Erkrankungen sind für sich schon tragisch genug. Treffen sie aber wichtige Entscheidungsträger einer börsenotierten Gesellschaft stellt sich auch noch die Frage, ob der Markt über die Krankheit informiert werden muss. Bei längerer oder gar dauerhafter Verhinderung einer wichtigen Führungskraft kann es sich nämlich um eine (die Gesellschaft unmittelbar betreffende) Insiderinformation handeln. Kommt man zu diesem Ergebnis stellt sich die Frage, ob neben der Abwesenheit der Führungskraft auch die Krankheit selbst zu veröffentlichen ist.

Die Kursrelevanz einer diesbezüglichen Insiderinformation richtet sich zwar primär nach den erwarteten Auswirkungen der Krankheit auf die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der erkrankten Person. In der Lehre wird aber etwa auch vertreten, die Krankheit sei grundsätzlich für sich genommen publizitätspflichtig, damit der Markt die Auswirkungen zutreffend einschätzen könne. Dass es hierbei zu einem Konflikt der Ad-hoc-Pflicht mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art 7, 8 Grundrechtecharta) des Erkrankten kommt, liegt auf der Hand. Angaben über den Gesundheitszustand einer Person sind besonders sensible personenbezogene Daten (Gesundheitsdaten gehören auch zu den „besonderen Kategorien personenbezogener Daten“ gemäß Art 9 DSGVO, für die ein noch einmal deutlich höheres Schutzniveau gilt als für andere personenbezogene Daten).

Eine Veröffentlichung der Krankheit einer Führungskraft durch die Gesellschaft ist zweifelsfrei ein Eingriff in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts. Ohne Zustimmung des Betroffenen ist ein solcher Eingriff nur gerechtfertigt, wenn er (i) auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, (ii) den Wesensgehalt des Persönlichkeitsrechts achtet, (iii) erforderlich und verhältnismäßig ist und (iv) einem von der Union anerkannten Gemeinwohlziel oder dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dient (Art 52 Abs 2 Grundrechtecharta).

Die (gesetzliche) Ad-hoc-Pflicht trägt zur Kapitalmarkteffizienz bei, fördert also das Interesse der Gesellschaft an funktionsfähigen Kapitalmärkten und schützt Grundrechte (etwa das Eigentumsrecht) anderer Marktteilnehmer. Ein strikter Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor der Ad-hoc-Pflicht scheint daher schwer argumentierbar und es hat wohl eine Interessenabwägung im Einzelfall stattzufinden (siehe dazu im Detail etwa Klöhn in Klöhn, MAR-Kommentar Art 17 Rz 382).

Eben zitierter Autor arbeitet in seinem brandneuen Werk zur Marktmissbrauchsverordnung hierfür grobe Leitlinien heraus. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll etwa umso stärker betroffen sein, je „persönlichkeitsrelevanter“ die zu veröffentlichende Information ist. Die Stellung des Betroffenen im Unternehmen soll ebenso eine Rolle spielen (bei herausragender Stellung eher Veröffentlichungspflicht der Krankheit) wie die Höhe der Kursrelevanz (die freilich regelmäßig auch von der Stellung des Betroffenen abhängen wird). Das Interesse an der Information soll zudem umso höher sein, je mehr Gerüchte über die Krankheit kursieren. Zuletzt soll sogar bedeutsam sein, ob und inwieweit der Betroffene zur Entstehung selbst beigetragen hat.

All dies ist zum einen für die Praxis nicht allzu hilfreich. Mir persönlich kommt dabei außerdem die menschliche Komponente etwas zu kurz. Zwar wird eine nicht bloß vorübergehende Abwesenheit einer zentralen Figur im Unternehmen (etwa des Vorstandsvorsitzenden) häufig ad-hoc bekannt zu geben sein. Die Information des Marktes über die Krankheit selbst hat jedoch im Regelfall hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen. Dies entspricht auch dem Vorgehen in den (zum Glück nicht zu häufig aufgetretenen) Fällen der letzten Jahre. In der österreichischen Aktiengesellschaft ist in solchen Fällen übrigens in aller Regel der (für Vorstandsagenden zuständige) Aufsichtsrat in der Verantwortung.

Mag. Gernot Wilfling

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