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Newsletter Immobilienrecht Issue 5|2021

Neue Covid-Judikatur des OGH!

13. Dezember 2021
  • Zinsminderung trotz nicht objektbezogener Unbenutzbarkeit

  • Einkaufszentrum – Umstand der Situierung eines Geschäftes in einem an sich offenen Einkaufszentrum ist irrelevant für Zinsminderung

  • Fixkostenzuschuss – Keine Verpflichtung zur Herausgabe an den Vermieter

In seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung 3 Ob 184/21m liefert der OGH neue Erkenntnisse zur Geschäftsraummiete in Lockdownzeiten. Anders als in seiner vorherigen Entscheidung stellten sich für den OGH diesmal mehr Fragen.

Die beklagte Mieterin betreibt ein Nagel- und Kosmetikstudio in einem Einkaufszentrum und musste dieses während der behördlich angeordneten Lockdowns geschlossen halten, während das Einkaufszentrum an sich offen war, zumal dort auch Apotheken, Drogerien und Lebensmittelhandel untergebracht sind. Die Mieterin behielt sich Mietzinse ein und lukrierte den Fixkostenzuschuss. Es folgte die Zahlungs- und Räumungsklage.

Zinsminderung trotz nicht objektbezogener Unbenutzbarkeit

Unter Verweis auf die kürzlich ergangene Entscheidung 3 Ob 78/21y erachtete der OGH das konkrete Bestandobjekt aufgrund der Seuche COVID-19 als unbenutzbar, was gem § 1104 ABGB grundsätzlich zum Entfall der Mietzinszahlungsverpflichtung führt. Wenn der Kundenbereich eines gemieteten Geschäftslokals von den Kunden nicht betreten werden darf, so kann der bestimmungsgemäße Geschäftszweck nicht erfüllt werden. Zwar muss ein Zusammenhang zwischen Unbenutzbarkeit und „Seuche“ bestehen, dieser Zusammenhang muss aber nicht (wie zB bei einem Schädlingsbefall) „objektbezogen“ sein.

Einkaufszentrum – Umstand der Situierung eines Geschäftes in einem zugänglichen Einkaufszentrum ist irrelevant für Zinsminderung

Für die Beurteilung der vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeit kommt es auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf das übrige geschäftliche Umfeld an. Der Umstand, dass ein Einkaufszentrum für bestimmte Geschäftszwecke weiter betreten werden darf, ändert nichts an der Unbenutzbarkeit eines, vom Betretungsverbot erfassten Geschäftslokals. Auch die weiterhin bestehenden Parkmöglichkeiten, die Versorgung des Einkaufszentrums mit Energie oder die Bewachung und Reinigung der Allgemeinflächen bilden keinen geschäftlichen Nutzen für den Mieter, dessen Bestandobjekt pandemiebedingt zum bedungenen Gebrauch nicht verwendbar ist.

Fixkostenzuschuss – Keine Verpflichtung zur Herausgabe an den Vermieter

Die Mieterin beantragte für den Zeitraum des 1. Lockdowns (März bis Mai 2020) den von staatlicher Seite für Unternehmer bereitgestellten Fixkostenzuschuss. Der OGH sieht mangels entsprechender Rechtsgrundlage keine Verpflichtung eines Mieters, den für die Miete erhaltenen Fixkostenzuschuss an einen Vermieter herauszugeben. Es handle sich nicht um eine Zuwendung, die dazu gedacht ist, den gesetzlichen Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermieter wettzumachen. Der Mieter hat allerdings gegenüber der Finanzierungsagentur des Bundes, der COFAG, eine Schadensminderungspflicht. Diese könne unter Umständen die Zuschüsse zurückfordern – nicht jedoch gegenüber dem Vermieter.

Vertraglicher Verzicht auf das gesetzliche Mietzinsminderungsrecht

Darüber hinaus hatte sich der OGH auch mit einer vertraglichen Regelung zu befassen, wonach ua ein Minderungs- bzw Zurückbehaltungsrecht gem §§ 1104 ABGB, abgesehen von zwei Ausnahmetatbeständen, abbedungen wurde. Da der OGH durch Vertragsauslegung schon zur Ansicht gelangte, dass einer der beiden Ausnahmetatbestände vorlag – nämlich, dass der Bestandnehmerin ein erheblicher, nachweislicher Nachteil entstanden war – hatte er sich in weiterer Folge nicht damit auseinanderzusetzen, ob ein derartiger Ausschluss ohne entsprechendes Entgegenkommen sittenwidrig bzw angesichts § 1106 ABGB der Tatbestand der Seuche von einer derartig allgemeinen Klausel nicht mitumfasst ist.

Offene Punkte:

Noch keine (abschließende) höchstgerichtliche Stellungnahme gibt es weiterhin zu folgenden Fragen:

  • Sind Betriebskosten wie der Hauptmietzins zu behandeln?
  • Wie wirkt sich ein vorhandener Restnutzen (Onlinehandel, etc.) aus? Tendenziell bereits ablehnend was untergeordnete Lagerzwecke anlangt in 3 Ob78-21y. 
  • Stehen dem Mieter auch in den Zeiträumen außerhalb des „Lockdowns“ Mietzinsminderungsansprüche zu und bejahendenfalls in welcher Höhe?


Status Quo

Mit den sohin bereits vorliegenden Stellungnahmen zu COVID-19 als Seuche iSd § 1104 und zum Fixkostenzuschuss hat der OGH mittlerweile jedenfalls zwei Hauptpunkte zugunsten der Mieter geklärt. Damit folgt die Judikatur dem Gros der Literatur. In der Praxis konnte man bis dato zwischen Vermieter und Mieter durchaus vernünftige einvernehmliche Regelungen erzielen, sodass die mietenbezogene wirtschaftliche Last der Pandemie nicht voll vom Vermieter zu tragen war. Die vorliegende Entscheidung wird diese durchaus sinnvolle Vorgehensweise in Zukunft erschweren.

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