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Sieder, Sebastian / Wilfling, Gernot: Zur präzisen Information und zum Journalistenprivileg gemäß MAR

Zeitschrift für Finanzmarktrecht 6/2022 (ZFR 2022/132)

30. Juni 2022

Ein ganz zentraler Begriff der MAR ist jener der Insiderinformation. Eine solche liegt bekanntlich vor, wenn vier Kriterien erfüllt sind: (i) Es handelt sich um eine präzise Information; (ii) diese Information ist nicht öffentlich bekannt; (iii) sie betrifft direkt oder indirekt ein oder mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten und (iv) sie wäre, wenn sie öffentlich bekannt würde, aus Sicht eines verständigen Anlegers geeignet, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen (Kursrelevanz). Von diesen vier Kriterien verursachen in der Praxis zwei häufig Auslegungsschwierigkeiten: Neben der hier nicht weiter behandelten Kursrelevanz ruft vor allem die “präzise Information” oft Probleme hervor.

In Kenntnis einer Insiderinformation sind nicht nur Handelsaktivitäten und Empfehlungen oder Verleitungen zu solchen unzulässig, die sog Insidergeschäfte. Vielmehr gilt als Grundregel auch, dass die Offenlegung von Insiderinformationen (also etwa deren Weitergabe an andere Personen) unzulässig ist. Ausgenommen davon ist nur die “Offenlegung im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben” (Art 10 MAR). Für journalistische Offenlegungen sieht die MAR eine Privilegierung vor. Werden für journalistische Zwecke oder andere Ausdrucksformen in den Medien Insiderinformationen offengelegt, sind bei der Beurteilung von deren Rechtmäßigkeit die Regeln der Pressefreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien sowie der journalistischen Berufs- und Standesregeln zu berücksichtigen (Art 21 MAR).

Genau mit diesen beiden Themen, nämlich der Auslegung des Kriteriums “präzise Information” und der Reichweite des Journalistenprivilegs, hatte sich der EuGH kürzlich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zu beschäftigen.


Der Artikel ist auch online auf www.lexisnexis.at erschienen.