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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 2|2022

Umsetzung der EU-Verordnung für Crowdfunding-Dienstleister

18. Februar 2022

Die EU-Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister für Unternehmen (VO 2020/1503/EU: Regulation on European Crowdfunding Service Providers; kurz ECSP-VO) gilt bereits seit dem 10.11.2021. Mit ihr soll – insbesondere auch grenzüberschreitendes – Crowdfunding innerhalb der EU erleichtert werden. Es soll spezialisierten Plattformen ermöglicht werden, ihre Dienstleistungen mittels EU-Pass im gesamten EU-Binnenmarkt anzubieten. Im Gegenzug benötigen Dienstleister dafür eine Zulassung ihrer Heimat-Aufsichtsbehörde und werden deren laufender Aufsicht unterstellt.

Mit dem Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz sind mit der Veröffentlichung im BGBl am 30.12.2021 nun die notwendigen nationalen Vorschriften für das neue europäische Regime für den Betrieb von Crowdfunding-Plattformen geschaffen worden. Dies gibt Anlass das Zusammenspiel von ECSP-VO und Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz näher zu beleuchten.

Die ECSP-VO macht es Crowdfunding-Dienstleistern bekanntlich möglich, über ihre Plattformen öffentliche Angebote von bis zu EUR 5 Mio pro Projekt ohne Kapitalmarktprospekt zu lancieren. Dabei dürfen verschiedene Dienstleistungen erbracht werden, die bisher Banken bzw Wertpapierfirmen vorbehalten waren: Die Vermittlung von Krediten, die Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen sowie die Platzierung ohne feste Übernahmeverpflichtung von übertragbaren Wertpapieren und von für Crowdfunding-Zwecke zugelassenen Instrumenten.

Bezüglich der verschiedenen zulässigen Crowdfunding-Instrumente der ESCP-VO (Kredite, Wertpapiere und andere für Crowdfunding-Zwecke zugelassene Instrumente) war zuletzt insbesondere diskutiert worden, ob GmbH-Anteile wegen der Notariatsaktpflicht bei Übertragung als „andere für Crowdfunding-Zwecke zugelassene Instrumente“ der ECSP-VO einzuordnen sein könnten. Der österreichische Gesetzgeber hat GmbH-Anteile nicht als solche Instrumente qualifiziert. In § 10 Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz wird die FMA aber ermächtigt, durch Verordnung den von ihr zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleistern die Verwendung von GmbH-Anteilen für die Zwecke der ECSP-VO zu gestatten. Ob die FMA von dieser Verordnungsermächtigung jemals Gebrauch machen wird, ist derzeit nicht absehbar. Ob GmbH-Anteile für Crowdfunding überhaupt praktikabel wären, lasse ich zudem dahingestellt. Interessanter wären wahrscheinlich Anteile an der Austrian Limited, wenn sich der Gesetzgeber je dazu durchringen kann, diese im Regierungsprogramm vorgesehene neue Rechtsform umzusetzen.

Um vom EU-Pass der ECSP-VO zu profitieren, bedarf es einer Zulassung und Beaufsichtigung des Crowdfunding-Dienstleisters. Wie das Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz nunmehr klarstellt, fällt die Zulassung und Beaufsichtigung (wenig überraschend) in die Zuständigkeit der FMA. Die Zulassung dient iVm der Notifikation als EU-Pass, sodass Dienstleister entsprechend ihrer Zulassung zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen in anderen Mitgliedsstaaten berechtigt sind. Aufgrund der technischen Komplexität und Neuheit dieser Geschäftsmodelle empfiehlt die FMA, für den regulatorischen Einstieg die Möglichkeit einer Teilnahme in ihrer Regulatory Sandbox (vgl dazu ausführlich Newsletter Kapitalmarktrecht Issue 6|2020 „Regulatory Sandbox: In der „Sandkiste“ mit der FMA”) zu prüfen.

Für die in der ECSP-VO vorgesehene laufende Beaufsichtigung der Dienstleister werden der FMA umfangreiche Befugnisse übertragen. So kann die FMA etwa Informationen und Unterlagen vom Dienstleister verlangen, Vor-Ort-Prüfungen abhalten, Schwarmfinanzierungsangebote und -dienstleistungen aussetzen oder untersagen (vgl im Detail § 3 Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz). Hinsichtlich dieser FMA-Befugnisse werden ausdrücklich die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit und eine hinreichende Begründung vorgegeben.

Für Verstöße gegen die ECSP-VO sind Verwaltungsstrafen bis zur zweifachen Höhe des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens (falls bezifferbar) oder bis zu EUR 500.000 vorgesehen. Bei juristischen Personen können die Strafen auch 5% des jährlichen Gesamtumsatzes betragen. Die FMA hat weiters die Befugnis (i) Verstöße und die dafür verantwortliche Person öffentlich bekanntzugeben; (ii) die Anordnung an die für den Verstoß verantwortliche natürliche oder juristische Person zu treffen, das den Verstoß darstellende Verhalten einzustellen und von einer Wiederholung abzusehen und (iii) einem Mitglied des Leitungsorgans zu verbieten in zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleistern Leitungsaufgaben wahrzunehmen.

Das Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz gibt zudem Parameter vor an denen sich die Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse zu orientieren haben (Schwere und Dauer des Verstoßes, Grad der Verantwortung, Finanzkraft etc; vgl im Detail § 5 Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz) und stellt klar, dass die bekannten Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde an das BVwG und der Rechtsbehelf der Säumnisbeschwerde auch bezüglich der ECSP-VO gelten. Ebenfalls vorgesehen ist das bereits aus zahlreichen Aufsichtsgesetzen bekannte verpflichtende (arg. „ist […] zu veröffentlichen“) Naming & Shaming (vgl dazu ausführlich bereits Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 8|2021 „Der Pranger unserer Zeit – Naming and Shaming“), wofür ebenfalls Rechtschutz vorgesehen ist.

Besonderes Augenmerk legt die ECSP-VO auf den Anlegerschutz. Dabei unterscheidet sie zwischen kundigen und nicht kundigen Anlegern, wobei die Anlegerschutzbestimmungen insbesondere auf den Schutz der nicht kundigen Anleger abzielen. Für diese ist etwa eine ex ante Kenntnisprüfung und eine jährliche Prüfung ihrer Verlusttragfähigkeit vorgesehen. Nicht kundigen Anlegern muss zudem vor Vertragsabschlüssen eine recht kurze vorvertragliche Bedenkzeit (diese beginnt im Zeitpunkt der Interessensbekundung eines Anlegers und läuft vier Kalendertage danach ab) eingeräumt werden, innerhalb der sie jederzeit widerrufen können. Davon unberührt bleibt, soweit anwendbar, das 14-tägige Widerrufsrecht nach § 8 FernFinG.

Um den Anlegern eine informierte Anlageentscheidung zu ermöglichen, ist zudem vom Dienstleister den Anlegern ein Anlagebasisinformationsblatt zur Verfügung zu stellen. Dieses darf nicht länger sein als sechs DIN-A4 Seiten. Das Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz führt hierzu konkretisierend aus, dass die für dieses Anlagebasisinformationsblatt verantwortlichen Personen im Anlagebasisinformationsblatt eindeutig unter Angabe ihres Namens und ihrer Funktion – bei juristischen Personen ihres Namens und ihres Sitzes – zu benennen sind. Außerdem ist eine umfassende Haftung für die in einem Anlagebasisinformationsblatt enthaltenen Informationen vorgesehen (vgl im Detail § 9 Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz).

Zu erwähnen ist noch die Klarstellung, dass Projektträger, die Mittel von Anlegern aus von zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleistern vermittelten Krediten annehmen, und Anleger, die Kredite an von zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleistern vermittelte Projektträger vergeben, von einer Konzessionspflicht nach dem BWG oder anderen Gesetzen ausgenommen sind (§ 11 Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz). Dies ergibt sich aber ohnedies bereits aus der ECSP-VO (vgl 9. und 11. Erwägungsgrund ECSP-VO und Art 1 Abs 3 ECSP-VO) und stellt bekanntlich eine der zentralen Neuerungen dar.

Seit November liegen jetzt übrigens auch die Entwürfe der zahlreichen delegierten Verordnungen, welche die Crowdfunding-Verordnung ergänzen werden, zumindest in Englisch vor. Man findet sie im Final Report der ESMA unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-42-1183_final_report_-_ecspr_technical_standards.pdf.

Zudem hat die ESMA im Jänner 2022 konkretisierende Q&As zur ECSP-VO veröffentlicht: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-42-1088_qas_crowdfunding_ecspr.pdf.

Dr. Sebastian Sieder

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