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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 5|2022

Umsetzung Whistleblower-RL: Endlich ein Entwurf!

1. September 2022

Am langen Weg zur Umsetzung der Whistleblower-RL, über den wir Sie immer wieder informiert haben (vgl Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 4|2021: „Whistleblower-Richtlinie ante portas“: https://www.mplaw.at/publikationen/whistleblower-richtlinie-ante-portas.html; Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 7|2021: Whistleblower-RL: „Was Sie schon jetzt tun können“: https://www.mplaw.at/publikationen/whistleblower-rl-was-sie-schon-jetzt-tun-koennen.html; Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 2|2022: „Verspätete Umsetzung der Whistleblower-RL“: https://www.mplaw.at/publikationen/verspaetete-umsetzung-der-whistleblower-rl-1450.html), liegt nun auch in Österreich endlich der Entwurf eines Umsetzungsgesetzes vor.

Mit einer Verspätung von über 6 Monaten gibt es zumindest einen Ministerialentwurf des Bundesministers Kocher für ein sogenanntes HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG). Wir nehmen dies zum Anlass, Ihnen dessen wichtigste Bestimmungen näher zu bringen. Der Gesetzgeber legt übrigens folgendes Ziel in den Erläuterungen zum Gesetz fest: „Erhöhung der Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten in Lebensbereichen von besonderem öffentlichen Interesse […] “.  

Anwendungsbereich

Das HSchG kommt grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn der Rechtsträger mehr als 50 Arbeitnehmer oder Bedienstete beschäftigt. Von diesem Arbeitnehmerbegriff sind arbeitnehmerähnliche Personen und freie Dienstnehmer nicht umfasst. Die im HSchG genannten Bereiche, in denen Whistleblower geschützt werden, decken sich bis auf eine Ausnahme komplett mit der maßgeblichen Aufzählung der Hinweisgeber-RL (vgl Art 2 Abs 1 lit a und § 3 Abs 3 Z 1 bis 11 HSchG). Diese ausnahmsweise Erweiterung bezieht sich auf die Hinweisgebung zur Verletzung von Vorschriften hinsichtlich der Verhinderung und Ahndung von Straftaten gemäß §§ 302 bis 309 StGB. Außerdem kommt es zu einer wesentlichen Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs gegenüber der Whistleblower-RL, da im HschG keine Einschränkung auf den Anwendungsbereich der im Anhang der Richtlinie angeführten Rechtsakte der Union erfolgt.

Whistleblower

Erste Voraussetzung um Whistleblower („Hinweisgeberin bzw Hinweisgeber“) zu sein, ist die Erlangung der Informationen über Rechtsverletzungen aufgrund einer beruflichen Verbindung zu einem Rechtsträger des Privatrechts oder öffentlichen Rechts. Zudem sind etwa auch „selbstständig erwerbstätige Personen“ oder Personen die Whistleblower unterstützen geschützt.

Interne und externe Stellen und Medien

Sachlich vom Hinweisgeberschutz des HSchG umfasst sind Meldungen sowohl an interne als auch an externe Stellen. Rechtsträger mit 50 oder mehr Arbeitnehmern trifft die Verpflichtung, bei ihnen ein System einzurichten, dass eine interne Hinweisgebung ermöglicht und überdies Hinweisgeber anregt, das interne Meldesystem zur Hinweisgebung zu nutzen. Da diese internen Meldungen gegenüber externen Stellen zur Hinweisgebung bevorzugt zu nutzen sind, treffen Rechtsträger daher weitere Pflichten. Diese werden verpflichtet, eine interne Meldekultur aufzubauen und zu fördern, die internen Stellen haben unparteilich und unvoreingenommen bei der Entgegennahme und Behandlung von Hinweisen zu agieren und sind weisungsfrei zu stellen.

Externe Stellen sind mit der Hinweisgebung nur subsidiär zu befassen, wenn die Behandlung des Hinweises bei der internen Stelle nicht möglich, nicht zweckentsprechend oder nicht zumutbar ist bzw wenn diese erfolg- oder aussichtslos war. Soweit bereits eingerichtete oder künftige Meldestellen für Hinweise die Voraussetzungen des HSchG erfüllen, sind diese auch die nach dem HSchG zuständigen externen Stellen. Das HSchG zählt demonstrativ solche externen Stellen auf. So wird etwa aufgrund des Finanzmarkt-Geldwäschegesetzes und des Börsegesetzes 2018 die FMA als solche externe Stelle angeführt. Für alle Hinweise auf Rechtsverletzungen bundesrechtlicher Vorschriften, die sich auf Rechtsträger des Privatrechts sowie des öffentlichen Rechts beziehen sowie für zahlreiche andere Fallkonstellationen ordnet das HSchG in einer Generalklausel die Zuständigkeit zur Entgegennahme von Meldungen dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) an. Auch diese externen Stellen haben verpflichtend jeden einlangenden Hinweis auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen.

Zudem sind auch Whistleblower, die einen Hinweis an ein Medium im Sinne des Mediengesetzes geben, unter gewissen Voraussetzungen geschützt. Ein solches Whistleblowing an die Medien ist möglich, wenn Whistleblower den Hinweis zuvor einer internen oder externen Stelle gegeben haben, ohne dass innerhalb der vorgesehenen Fristen geeignete Folgemaßnahmen getroffen wurden. Ebenso zulässig wäre ein Whistleblowing an Medien, wenn etwa bei vorheriger Hinweisgebung an externe Stelle Vergeltungsmaßnahmen zu befürchten sind oder geringe Aussichten bestehen, dass gegen Rechtsverletzung wirksam vorgegangen werden kann (zB Beweismittelunterdrückung, -vernichtung). Außerdem steht der Weg an die Medien frei, wenn es einen hinreichenden Grund zur Annahme gibt, dass die Rechtsverletzung eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann (zB Notsituation oder Gefahr eines irreversiblen Schadens).

Schutz der Whistleblower

Die Hinweisgebung ist grundsätzlich schriftlich und mündlich möglich. Auch anonyme Hinweise sind zulässig. Es ist die Vertraulichkeit zu wahren, es besteht eine Verschwiegenheitspflicht und die Identität ist zu schützen. Dem Whistleblower wird einerseits Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen geboten, andererseits sind ihnen Stellen zur Information und Beratung zur Verfügung zu stellen. Auch wird die Inanspruchnahme von Verfahrenshilfe in Straf- oder Zivilverfahren ermöglicht. Das HSchG unterscheidet bezüglich Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen anhand der Reversibilität derselben. Reversible Maßnahmen sind rechtsunwirksam. Irreversible Maßnahmen führen zu einer Verpflichtung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands sowie der Entschädigung von Vermögensschäden oder persönlichen Beeinträchtigungen.

Beweislast

Die Whistleblower-RL sieht eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers vor. Demnach wird vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung war und es obliegt der Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, zu beweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte. Dies hat das HSchG nicht umgesetzt, sodass hier eine gewisse Benachteiligung von Whistleblowern in Kauf genommen wird. Nach HSchG ist vom Whistleblower glaubhaft zu machen, dass die Maßnahme als Vergeltung für den Hinweis erfolgte. Dass die Maßnahme als Vergeltung für den Hinweis erfolgte, ist nach HSchG nicht anzunehmen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes Motiv für die Maßnahme ausschlaggebend war. Dieses Motiv muss von der Person, die die Maßnahme gesetzt hat, glaubhaft gemacht werden.

Sanktionen

Wer einen Whistleblower im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung behindert, eine der oben genannten Maßnahmen zur Vergeltung der Hinweisgebung setzt, die Bestimmungen zum Schutz der Vertraulichkeit verletzt oder wissentlich einen falschen oder irreführenden Hinweis gibt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu EUR 20.000 zu bestrafen. Im Wiederholungsfall sind Geldstrafen bis zu EUR 40.000 vorgesehen. Die Verpflichtung der Rechtsträger, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten, ist dagegen sanktionslos.

Weiterer Fahrplan

Das Ende der Begutachtungsfrist des Ministerialentwurfs war der 15.07.2022. Am 18.07.2022 wurde der Ministerialentwurf an das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft übermittelt. Es bleibt abzuwarten, inwiefern es durch die zahlreichen Stellungnahmen noch zu Änderungen des HSchG kommen wird. Wir werden Sie jedenfalls weiterhin am Laufenden halten.

Dr. Sebastian Sieder

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