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Newsletter Corporate/M&A Issue 5|2021

Verletzung der Redepflicht des Abschlussprüfers bei Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr

21. Dezember 2021

Kürzlich beschäftigte sich der OGH mit der Haftung eines Abschlussprüfers, der in Zusammenhang mit einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr im Zuge einer Umgründung seine Redepflicht verletzt hatte (OGH 6 Ob 207/20i).

Klägerin war die Insolvenzverwalterin einer Kommanditgesellschaft (AG & Co KG, später GmbH & Co KG). Beklagte war die Abschlussprüferin der KG. Einzige Kommanditistin der KG war eine AG (Konzernmutter). Diese war gleichzeitig auch Alleingesellschafterin der Komplementärgesellschaft. Eine 100% Tochtergesellschaft (GmbH) der Kommanditgesellschaft hielt Beteiligungen an diversen ausländischen Gesellschaften.

Die KG übertrug den gesamten Geschäftsanteil an ihrer Tochtergesellschaft Ende 2008 an die Konzernmutter; dies ohne jede Gegenleistung. Ein klarer Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, welches nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des OGH neben „echten“ Kapitalgesellschaften auch für AG & Co KG bzw GmbH & Co KG gilt, wenn bei diesen keine natürliche Person Komplementär (also unbeschränkt haftender Gesellschafter) ist. Dennoch erteilte die beklagte Abschlussprüferin der KG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk und hatte keine Einwendungen bei der Prüfung des Jahresabschlusses 2008. Im Jahr 2010 wurde über das Vermögen der KG ein Sanierungsverfahren eröffnet.

Die Insolvenzverwalterin begehrte für die insolvente KG von der Abschlussprüferin 12 Mio EUR an Schadenersatz (Haftungsobergrenze gem § 275 Abs 2 UGB), weil sie ihre Redepflicht gem § 273 UGB verletzt hätte. Sie hätte erkennen müssen, dass es sich bei der Sachentnahme um einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr handelte. Durch die Einbringung der Tochtergesellschaft samt ihren Beteiligungen sei der KG Vermögen im Wert von 325 Mio EUR zugunsten der Konzernmutter entzogen worden. Das Verrechnungskonto der Konzernmutter wies demgegenüber einen Stand von bloß 25 Mio EUR auf.

Der OGH hielt fest, dass Einbringungen, bei denen Vermögen einer Kapitalgesellschaft & Co KG ohne eine Gegenleistung an den Kommanditisten übertragen wird, als offene Verstöße gegen das Kapitalerhaltungsgebot zu beurteilen sind. Der Abtretungsvertrag wäre vor dem Hintergrund des § 82 GmbHG (analog) nur in folgenden Fällen zulässig gewesen: (i) Gewinnausschüttung des Teilbetriebs an die Gesellschafter im Wege einer Sachdividende; (ii) ordentliche Kapitalherabsetzung unter analoger Anwendung der §§ 54 ff GmbHG; (iii) Einhaltung der Vorschriften über die Liquidation (mit Sachauskehr); oder (iv) Leistung eines den Wertabgang ausgleichenden Gesellschafterzuschusses an die sacheinlegende KG. Keine dieser Voraussetzungen war im konkreten Fall erfüllt.

Bei schwerwiegenden Verstößen der gesetzlichen Vertreter oder Arbeitnehmer einer zu prüfenden Gesellschaft gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung unterliegt der Abschlussprüfer der Redepflicht gem § 273 UGB. In diesem Fall lag wie erwähnt ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor, die Beklagte hätte laut OGH daher ihre Redepflicht ausüben müssen. Bei der Redepflicht handelt es sich um eine Warnpflicht, die bei „schwerwiegenden Bedenken“ auszuüben ist. Wenn der Abschlussprüfer bei seiner Beurteilung aber eine objektiv vernünftige vertretbare Rechtsmeinung vertreten hat und eine Frage bilanzrechtlicher, betriebswirtschaftlicher oder prüfungstechnischer Natur vorliegt, besteht keine Rechtswidrigkeit. Bei Vorliegen eines Rechtsirrtums seitens des Abschlussprüfers, der durch Anwendung ordentlicher Sorgfalt vermieden hätte werden können, haftet der Abschlussprüfer dagegen nach § 275 UGB. Fraglich war also, ob die rechtliche Situation (wohl insbesondere die Judikatur) rund um die Einlagenrückgewähr bei Vornahme der Prüfung 2009 so eindeutig war, dass die Abschlussprüferin bei Verneinung der Einlagenrückgewähr keinesfalls eine objektiv vernünftige Rechtsmeinung vertreten konnte.

Eine abschließende Entscheidung war dem OGH dabei noch nicht möglich; er verwies an das Erstgericht zurück zwecks Feststellung, welche Überlegungen die Beklagte zum Zeitpunkt des Prüfungsvorgangs tatsächlich angestellt hat und ob Einlagenrückgewähr thematisiert worden ist. Ungeachtet dessen hielt er fest, dass den Organen einer Kapitalgesellschaft die geltende Rechtslage und herrschende Lehre spätestens im Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrags bekannt sein mussten. Es sei außerdem nicht alles eine vertretbare Rechtsansicht, weil es einmal in der Literatur behauptet wurde. In einem zweifelhaften Fall, wenn mehrere Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, müsse sich ein Rechtsanwalt oder ein Angehöriger anderer beratender Berufe entweder eines zweifelsfreien Weges bedienen, oder beide Wege gleichzeitig anwenden.

Ekaterina Shapatkovskaya

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