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Newsletter Gesundheit und Recht aktuell Issue 4|2015

Flüchtlingskrise: Brauchen Ärzte und Spitäler einen Dolmetscher?

18. November 2015

Wien. Gerade in der aktuellen Flüchtlingssituation kommt es bei der ärztlichen Versorgung von Flüchtlingen in- oder außerhalb von Österreichs Spitälern oft und zwangsläufig zu Sprachbarrieren. Zur Überwindung dieser Sprachbarrieren startete offenbar unabhängig von der aktuellen Situation vor ca. 2 Jahren ein Pilotprojekt „Qualitätssicherung in der Versorgung nicht-deutschsprachiger PatientInnen – Videodolmetschen im Gesundheitswesen“. Diesem Pilotprojekt gingen Experten-meinungen voraus, die die Bereitstellung von Dolmetschern in Spitälern nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich für geboten erachteten. Aber wie ist die Rechtslage wirklich?

Die Behandlung eines Patienten setzt grundsätzlich dessen Einwilligung voraus. Eine rechtswirksame Einwilligung wiederum setzt grundsätzlich die medizinische Aufklärung in einer für den Patienten verständlichen Form voraus. Davon ausgenommen sind grundsätzlich Fälle, in denen die Behandlung so dringend notwendig ist, dass ansonsten das Leben des Patienten gefährdet würde oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bestünde.  

Sofern ein fremdsprachiger Patient nicht Deutsch oder eine andere Fremdsprache spricht, mit der sich Arzt und Patient angemessen verständigen können, hat sich der Arzt bzw der Krankenhausträger um die Beiziehung eines Sprachmittlers zu bemühen (vorbehaltlich der oben erwähnten Dringlichkeit). Für einen Kranken-anstaltenträger besteht zwar grundsätzlich keine Verpflichtung, Dolmetscher  anzustellen. Dennoch empfiehlt sich bei entsprechender Frequenz von fremd-sprachigen Patienten die Einrichtung eines Dolmetschdienstes oder der Möglichkeit der Beiziehung eines Dolmetschers auf Abruf. Aus Beweisgründen sollte der Name des Sprachmittlers dokumentiert werden und  gegebenenfalls, warum die Beiziehung eines solchen oder einer sprachkundigen Vertrauensperson nicht möglich war.

Ist die Sprachbarriere zu einem Patienten trotz aller Bemühungen nicht überwindbar und besteht keine Dringlichkeit zur Behandlung, so hat die Behandlung unter Umständen sogar vorerst zu unterbleiben. Kann dem fremdsprachigen Patienten jedoch nicht vermittelt werden, warum seine Behandlung unterbleiben soll oder ist der behandelnde Arzt der einzige in der Region, ist eine Behandlung dennoch geboten. Die Behandlung hat in einem solchen Fall anhand des mutmaßlichen und objektiven Patientenwillens zu erfolgen.

Dr. Michael Straub, LL.M.

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