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Newsletter Start-ups und Wachstumsfinanzierung Issue 2|2020

Die Notkapitalerhöhung

22. April 2020

Start-ups verbrauchen in Frühphasen in der Regel deutlich mehr Geld, als sie einnehmen (der diesbezügliche Fehlbetrag wird in der sogenannten cash-burn-rate wiedergegeben). Je nach Verlauf kann es zu Situationen kommen, in denen die Zahlungsunfähigkeit oder insolvenzrechtliche Überschuldung droht. Für solche Fälle lassen sich Investoren natürlich jedenfalls die sofortige Information von der Gesellschaft und den Gründern versprechen. Mitunter kommt es aber auch vor, dass der Investor diesfalls die weitere Kapitalzufuhr abgesichert wissen will.

Hierzu dienen Bestimmungen über eine „Notkapitalerhöhung“, die man vermehrt sieht (auch wenn sie in Österreich wohl nicht Marktstandard sein dürften). Demnach kann jeder Gesellschafter bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder insolvenzrechtlicher Überschuldung eine Erhöhung des Stammkapitals um einen bestimmten Betrag zum Nominale verlangen. Jeder Gesellschafter hat dabei ein Bezugsrecht und muss innerhalb einer regelmäßig sehr kurzen Frist verbindlich jenen Betrag nennen, mit welchem er maximal an der Notkapitalerhöhung teilnimmt. Nehmen einzelne Gesellschafter an einer Notkapitalerhöhung nicht teil, können die anderen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft auch die diesbezüglichen Teile der Kapitalerhöhung zum Nominale zeichnen.

Das Instrument der Notkapitalerhöhung ist einerseits zwar geeignet, im Krisenfall eine rasche weitere Eigenkapitalzufuhr durch eine „willige“ Minderheit auch gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen (auch weil ein Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen zur Mitwirkung an der Notkapitalerhöhung schadenersatzpflichtig machen würde). Umgekehrt birgt sie für die Verpflichteten natürlich auch Risiken. Insbesondere droht aufgrund der Zeichnung des Nominales durch die anderen Gesellschafter demjenigen, der nicht mitzieht (oft: nicht mitziehen kann) neben seiner anteilsmäßigen Verwässerung unter Umständen auch eine gewaltige vermögensmäßige Verwässerung (nämlich dann, wenn die Gesellschaft trotz drohender Insolvenz noch einen deutlich über dem Stammkapital liegenden Wert hat). Die Bestimmungen zur Notkapitalerhöhung können daher je nach Ausgestaltung und Lage des Falls für den Einzelnen auch sehr nachteilig sein. Wem daraus Nachteile drohen raten wir, die konkrete Ausgestaltung und die Zulässigkeit der Nutzung im Einzelfall (Stichwort: Treuepflichtverletzung) anwaltlich prüfen zu lassen.

Umgekehrt gehen natürlich auch mit dem Fehlen einer Notkapitalerhöhung nicht unwesentliche Risiken einher. Blockieren Gesellschafter die Durchführung einer (dringend notwendigen) Kapitalerhöhung, müssten die Zuschusswilligen gegen die ablehnenden Gesellschafterbeschlüsse gerichtlich vorgehen. Kann man aus der konkreten Lage eine treuwidrige Stimmabgabe einzelner Gesellschafter argumentieren, kann man damit zwar grundsätzlich Erfolg haben. In Krisensituationen kommt man damit aber faktisch in der Regel zu spät. Man kann zerstrittenen Gesellschaftern in Krisensituationen – auch deswegen – eigentlich nur raten, allenfalls auch Abstriche von ihren jeweiligen (oft auch rational nicht nachvollziehbaren) Positionen in Kauf zu nehmen. Ansonsten kommt es – auch das erleben wir in unserer Beraterpraxis leider mitunter – sicher zum Totalschaden.

Mag. Gernot Wilfling

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