1. Einleitung
Häufig werden Liegenschaften bereits zu Lebzeiten verschenkt, wobei sich der Geschenkgeber in der Regel ein lebenslanges Wohnrecht vorbehält.
Verstirbt der Geschenkgeber, werden solche Schenkungen zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung der Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt. Fraglich ist hierbei, wie sich das vorbehaltene Wohnrecht auf den Wert der Schenkung, der der Verlassenschaft hinzugerechnet wird, auswirkt. Der OGH hat in seiner aktuellen Entscheidung 2 Ob 64/19d zu dieser Frage Stellung bezogen.
2. Sachverhalt
Der Verstorbene hinterließ zwei Kinder und seine Lebensgefährtin, wobei er seine Lebensgefährtin als Erbin einsetzte. Darüber hinaus hatte ihr der Erblasser bereits zu Lebzeiten eine Liegenschaft geschenkt und sich ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht vorbehalten.
Die Tochter des Erblassers machte ihren Pflichtteil unter Berücksichtigung des Wertes der zu Lebzeiten geschenkten Liegenschaft gegen die Lebensgefährtin geltend.
3. Die Entscheidung des OGH
Die beiden Unterinstanzen entschieden, dass der versicherungsmathematisch kapitalisierte Wert des Wohnrechtes zur Gänze vom Wert der Liegenschaft abzuziehen sei.
Doch der OGH sah dies anders und sprach Folgendes aus:
Die Bewertung der Schenkung erfolgt zum Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich gemacht wurde und wird mittels Verbraucherpreisindex bis zum Todeszeitpunkt aufgewertet. Lastet einer Schenkung eine Belastung an, wie bspw das vorbehaltene Wohnungsgebrauchsrecht, ist diese Belastung bei Ermittlung des Wertes der Schenkung zu berücksichtigen, wenn sie einer Verwertung entgegensteht.
Die Frage, ob die Belastung der Verwertung entgegensteht, kann sich aber erst zum Todeszeitpunkt des Erblassers stellen, da erst in diesem Zeitpunkt überhaupt der Pflichtteilsanspruch entsteht. Das vorbehaltene Wohnungsgebrauchsrecht erlischt mit dem Tod des Erblassers, sodass es einer Verwertung nicht entgegenstehen kann.
Daraus ergibt sich, dass der Wert eines vom Erblasser vorbehaltenen Wohnungsgebrauchsrechts bei Bewertung der Schenkung nicht berücksichtigt wird, wenn im Übergabezeitpunkt der Schenkung bereits feststeht, dass im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt (Todeszeitpunkt) die Belastung der Schenkung bereits weggefallen ist.
4. Fazit
Viele Erben und Erblasser wissen nicht, dass zu Lebzeiten getätigte Schenkungen pflichtteilsrechtliche Konsequenzen haben können. Dies sorgt immer wieder für Konfliktsituationen in Verlassenschaftsverfahren und kann im schlimmsten Fall zu gerichtlichen Erbrechtsstreitigkeiten führen. Dabei wäre das in den meisten Fällen durch eine sorgfältige Nachfolgeplanung mit entsprechender Beratung durch einen Erbrechtsspezialisten vermeidbar.
Das Erbrechtsteam von Müller Partner Rechtsanwälte steht Ihnen für eine umfassende Beratung hinsichtlich ihrer Nachfolgeplanung gerne persönlich, wie auch telefonisch oder per Videokonferenz, zur Verfügung.
DDR. KATHARINA MÜLLER, TEP
DR. MARTIN MELZER, LL.M.