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Newsletter Erbrecht und Vermögensnachfolge Issue 1|2021

Zum Auskunftsanspruch der Pflichtteilsberechtigten gegen Geschenknehmer – OGH präzisiert die Anforderungen an die Beweisführung im Auskunftsverfahren

28. Januar 2021

1. Einleitung

Das ErbRÄG 2015 hat die Stellung der Pflichtteilsberechtigten verbessert und insbesondere eine gesetzliche Grundlage für den Auskunftsanspruch gegenüber Geschenknehmern geschaffen.

Pflichtteilsberechtigte Personen (Kinder und Ehegatten des Verstorbenen) müssen sich Zuwendungen, die sie zu Lebzeiten des Verstorbenen oder letztwillig von diesem erhalten haben, auf den eigenen Pflichtteil anrechnen lassen. Im Gegenzug können sie die Berücksichtigung derartiger Zuwendungen an andere Pflichtteilsberechtigte oder auch Dritte (sofern die Zuwendung an diese innerhalb von 2 Jahren vor dem Ableben des Verstorbenen erfolgte) bei Ermittlung ihres Pflichtteils verlangen. Das bedeutet, dass sich die Bemessungsgrundlage ihres Pflichtteilsanspruchs allenfalls vergrößert, gleichzeitig erhaltene Zuwendungen auf ihren Anspruch anzurechnen sind. Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen sichert einerseits die Gleichbehandlung der Pflichtteilsberechtigten und fördert zugleich die Testierfreiheit des Erblassers.

Oft haben die Pflichtteilsberechtigten aber keine Kenntnis über Datum und Höhe konkreter Schenkungen. Da die Behauptung vor Gericht, es sei eine anrechenbare Schenkung erfolgt, stets des Beweises bedarf, ist für eine erfolgreiche Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen die Möglichkeit, Auskunft verlangen zu können, von größter praktischer Bedeutung. Ein derartiger Auskunftsanspruch wurde mit dem ErbRÄG 2015 in § 786 ABGB eingefügt und bringt eine Erleichterung zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015.

Nach § 786 ABGB hat jeder einen Auskunftsanspruch, der berechtigt ist, eine Hinzurechnung bestimmter Schenkungen bei Ermittlung seines Pflichtteils zu verlangen. Der Anspruch richtet sich gegen die Verlassenschaft, Erben und den Geschenknehmer. Ob und von welchen weiteren Voraussetzungen der Anspruch abhängt, ist weder dem Wortlaut noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen.

2. Die Entscheidung des OGH

Mit dieser Frage hat sich der OGH in der aktuellen Entscheidung 2 Ob 227/19z auseinandergesetzt. Müsste der Auskunftsberechtigte als Voraussetzung für den Auskunftsanspruch das Vorliegen jener Schenkungen beweisen, hinsichtlich derer er Auskunft verlangt, wäre der neu geschaffene Auskunftsanspruch regelmäßig aufgrund mangelnder Informationen von vornherein zum Scheitern verurteilt und in seinem Anwendungsbereich wohl äußerst eingeschränkt. Der Auskunftsberechtigte hätte in diesem Fall nämlich wesentliche Punkte, deren Klärung die Auskunft gerade dienen soll, vorweg zu behaupten und zu beweisen. Andererseits darf der Auskunftsanspruch aber nicht so weit gehen, dass „gänzlich“ unbeteiligte Personen mit einem Auskunftsbegehren wegen lediglich vermuteter Schenkungen ohne weiteren Beweis konfrontiert werden.

Der Auskunftsanspruch ist daher nicht so zu verstehen, dass der Berechtigte ohne jede faktische Grundlage Auskunft von vermeintlichen Geschenknehmern verlangen kann. Nach dem OGH sind vielmehr jene Umstände zu behaupten und zu beweisen, die auf pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers schließen lassen. Eine bloße Bescheinigung ist zwar nicht ausreichend, jedoch sind die Beweisanforderungen nicht allzu hoch.

Beim Anspruch gegen die Verlassenschaft oder die Erben ist eine nicht erklärbare Verminderung des Vermögens ausreichend, auch ohne Nennung bestimmter Empfänger.

Beim Anspruch gegen einen (möglichen) Geschenknehmer sind Indizien erforderlich, dass der Erblasser die betreffende Person beschenkt hat. Bei Auskunftsbegehren gegen mögliche Geschenknehmer innerhalb des engeren und pflichtteilsberechtigten Familienkreises sind an diese Indizien keine hohen Anforderungen zu stellen. Einerseits besteht nicht die Gefahr, gänzlich „Unbeteiligte“ mit Auskunftspflichten zu belasten. Andererseits sind Zuwendungen im engen Familienkreis durchaus üblich. Wurde etwa bewiesen, dass ein Pflichtteilsberechtigter bereits hinzuzurechnende Schenkungen erhalten hat, liegt schon darin ein ausreichendes Indiz dafür, dass auch noch weitere solche Zuwendungen an diesen erfolgt sind.

3. Fazit

Die pflichtteilsrechtliche Schenkungsanrechnung ist ein kompliziertes und facettenreiches Rechtsgebiet, welches häufig zu Konflikten und Gerichtsverfahren führt. Mit der aktuellen Entscheidung präzisiert der OGH erstmals die Anforderungen an die Geltendmachung des neu geschaffenen Auskunftsanspruchs der Pflichtteilsberechtigten gegenüber Verlassenschaft, Erben oder Geschenknehmern.

Das Erbrechtsteam von Müller Partner Rechtsanwälte unterstützt Sie im Anlassfall bei der Formulierung und allenfalls auch gerichtlichen Durchsetzung von Auskunfts- und nachgelagerten Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Gerne stehen wir für eine umfassende Beratung persönlich, wie auch telefonisch oder per Videokonferenz, zur Verfügung.

DDr. Katharina Müller, TEP
Dr. Martin Melzer, LL.M.

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