1. Allgemeines
Der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH kann vieles über die Köpfe seiner Mitgesellschafter hinweg entscheiden. Allerdings gibt es verschiedene Einschränkungen dieses Grundsatzes. Neben der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die es dem Mehrheitsgesellschafter gebietet im Rahmen des Gesamtinteresses auch die berechtigten Interessen der Minderheit zu berücksichtigen, sieht das GmbHG vor allem die folgenden Beschlussmehrheiten vor, die regelmäßig dem Schutz der Minderheit dienen:
2. Qualifizierende Beschlussmehrheiten
(a) Folgende Beschlüsse bedürfen der Einstimmigkeit:
- Änderung des Unternehmensgegenstandes (§ 50 Abs 3 GmbHG)
- Unternehmensveräußerung oder Einbeziehung in einen Konzern (umstr, aber hA)
(b) Folgende Beschlüsse können nur mit einer Dreiviertelmehrheit gefasst werden:
- Verschmelzung mit anderer GmbH (§ 98 GmbHG)
- Gesellschaftsvertragsänderung (§ 50 Abs 1 GmbHG)
- Großinvestitionen (§ 35 Abs 1 Z 7 GmbHG)
3. Minderheitenrechte
(a) Gesellschafter mit 10% des Stammkapitals oder mit Stammeinlagen im Nennbetrag von mindestens € 700.000,? können
- zur Prüfung des letzten Jahresabschlusses eine gerichtliche Revisorenbestellung erwirken (Sonderprüfung gemäß § 45 GmbHG)
- Ersatzansprüche gegen Gesellschafter, Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder geltend machen (§ 48 Abs 1 GmbHG)
- aus wichtigen Gründen die Bestellung besonderer Liquidatoren verlangen (§ 89 Abs 2 GmbHG)
(b) Gesellschafter mit 10% des Stammkapitals oder mit Stammeinlagen im Nennbetrag von mindestens € 350.000,? können
- eine Generalversammlung einberufen (§ 37 GmbHG)
- Tagesordnungspunkte aufnehmen lassen (§ 38 Abs 3 GmbHG)
- Aufsichtsratsmitglied bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch das Gericht abberufen
(c) Gesellschafter mit 5% des Stammkapitals können
- die gerichtliche Bestellung von Abschlussprüfern beantragen (§ 270 Abs 3 GmbHG)
- in der Liquidation die Prüfung des Jahresabschlusses verlangen (§ 91 Abs 1 GmbHG iVm § 211 Abs 3 AktG)
(d) Zudem hat jeder Gesellschafter unabhängig von seiner Beteiligungshöhe die folgenden Rechte:
- Bucheinsichtsrecht (§ 22 Abs 2 GmbHG)
- Recht auf Zusendung des Jahresabschlusses samt Lagebericht (§ 22 Abs 2 GmbHG)
- Teilnahme-, Auskunfts- und Stimmrecht in der Generalversammlung (§ 39 GmbHG)
- Recht auf Einsicht und Zusendung der Generalversammlungsbeschlüsse (§ 40 GmbHG)
- Recht auf Anfechtung fehlerhafter Generalversammlungsbeschlüsse (§ 41 GmbHG)
- Recht zur Übernahme der neuen Stammeinlage bei Erhöhung des Stammkapitals mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag
4. Einfache Beschlussmehrheit
Für alle übrigen Beschlussgegenstände reicht eine einfache Mehrheit. Es handelt sich hierbei zwar um kein eigentliches Problem des Minderheitenschutzes an sich. Jedoch kann der Mehrheitsgesellschafter weitreichende Entscheidungen quasi autonom treffen. Beispielsweise ist hier die Gewinnverteilung zu nennen: Ist die Gewinnverteilung, wie oft, von einem mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss abhängig, kann der Mehrheitsgesellschafter die Ausschüttung blockieren. Aus Sicht des Minderheitsgesellschafters anzuraten ist daher, dass gesellschaftsvertraglich vereinbart zumindest ein Teil des Jahresüberschusses ausgeschüttet werden muss, ohne dass es einer Beschlussfassung bedarf.
Freilich hängt all dies von der Beteiligungsstruktur der GmbH ab. Eine Ein-Personen-GmbH muss sich darüber aus offensichtlichen Gründen keine Gedanken machen. Was als kleines Start-Up oder kleine Familiengesellschaft begonnen hat, kann sich aber über die Jahre und einige Eigenkapitalerhöhungen mit finanzkräftigen Investoren später zu einer Gesellschaft mit einer Vielzahl an Eigentümern entwickeln. Vor jeder Aufnahme eines neuen Gesellschafters gilt es dies zu bedenken.
DDr. Katharina Müller, TEP / Dr. Martin Melzer, LL.M.