1. Einleitung
Mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung können Ehegatten die Rechtsfolgen einer Scheidung nicht nur unmittelbar vor der Auflösung der Ehe regeln, sondern schon während aufrechter Ehe oder auch vor Eheschließung. Vereinbarungen dieser Art treffen Regelungen für Umstände und Ereignisse, die in ferner Zukunft liegen. Sie bergen daher stets die Gefahr, dass sie im Zeitpunkt ihrer Relevanz nicht mehr den gegebenen Verhältnissen entsprechen. Eine Scheidungsfolgenvereinbarung, die im Zeitpunkt ihres Abschlusses von den Vertragsparteien als ausgeglichen empfunden wird, kann im Zeitpunkt der Scheidung ganz anders wahrgenommen werden. Dies war der Fall in der vorliegenden OGH Entscheidung.
2. OGH Entscheidung (OGH 14.12.2021, 1 Ob 211/21t)
In der Vereinbarung vom 07.12.2015 regelten die Ehegatten zusammengefasst, wechselseitig auf jeglichen Unterhalt sowie auf eine Ausgleichszahlung für die Ehewohnung zu verzichten, die Kraftfahrzeuge im jeweiligen Eigentum der Zulassungsbesitzer zu belassen und das eheliche Gebrauchsvermögen einvernehmlich aufzuteilen. Außerdem hielten sie fest, dass die Prämienzahlungen für eine Lebensversicherung ausnahmslos von der Ehefrau erfolgt seien, weshalb ihr der zur Auszahlung gelangende Betrag alleine zustehe. Darüber hinaus verpflichtete sich der Ehemann im Fall einer Scheidung, die 4.000 Überstunden in Geld abzulösen, die die Ehefrau in den letzten 3 Jahren unentgeltlich für den Betrieb des Ehemannes geleistet hatte.
Im Zeitpunkt der Scheidung schien diese Verpflichtung dem Ehemann offenbar als unangemessen. Er versuchte die Vereinbarung mit der laesio enormis (§ 934 ABGB) zu bekämpfen. Die laesio enormis, auch Verkürzung über die Hälfte genannt, ist ein Instrument der Leistungsstörung. Ist die Leistung eines Vertragsteils nicht einmal die Hälfte der Leistung des anderen Vertragsteils wert, kann der Vertrag angefochten und damit aufgehoben werden.
Der Einwand der laesio enormis zieht im konkreten Fall jedoch nicht. Der OGH hält zutreffend fest, dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung einer Anpassung nach der laesio enormis nicht zugänglich ist, weil es an dem erforderlichen Leistungsaustausch fehlt. Im Zeitpunkt dieser Vereinbarung konnten die Parteien noch nicht einmal wissen, ob und wer nach einer allenfalls und dann tatsächlich erfolgten Scheidung Ansprüche auf Ausgleichs- und/oder Unterhaltszahlungen erheben könnte.
Entgegen der Rechtsansicht des Ehemanns ist daher die Bestimmung des § 934 ABGB auf die vorliegende Vereinbarung nicht anwendbar. Die Bewertbarkeit einzelner Vermögensteile reicht dafür nicht. Vielmehr wäre ein Verkehrswert der wechselseitigen Verpflichtungen erforderlich, die sich aber wegen ihres weitgehend entgeltfremden Charakters einer marktgängigen Bewertung entziehen.
3. Fazit
Mit dieser Entscheidung bestätigt der OGH die in der Literatur herrschende Meinung, dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung prinzipiell entgeltfremd ist und damit der Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte entzogen ist. Hinzuweisen ist dennoch darauf, dass damit einer unausgeglichenen Vorausvereinbarung nicht Tür und Tor geöffnet ist. Hat der andere Teil etwa keine Kenntnis über das wahre Vermögen oder wird er gröblich benachteiligt, kann die Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein.
DDr. Katharina Müller, TEP / Mag. Dominik Szerencsics