Aktionäre/Gesellschafter von Kapitalgesellschaften schließen über die öffentlich im Firmenbuch einsehbare Satzung/Gesellschaftsvertrag hinaus häufig weitere Vereinbarungen, die ihre Beteiligung an der Gesellschaft untereinander weiter regeln. Solche Vereinbarungen werden häufig (etwas unpräzise) unter dem Schlagwort „Syndikatsvertrag“ getroffen. Was aber, wenn sich eine der Parteien nicht an einen Syndikatsvertrag hält? Damit hatte sich kürzlich der OGH wieder einmal zu beschäftigen (6 Ob 211/21d).
Für den „Verletzten“ besteht bei Verletzungen von Syndikatsverträgen durch andere Parteien meist ein zeitliches Problem: Es geht ja häufig um in Kürze anstehende wesentliche Beschlussfassungen in der Hauptversammlung einer AG bzw der Generalversammlung einer GmbH. Um zu verhindern, dass es zu solchen Beschlussfassungen (die häufig schwer rückabzuwickeln sind) überhaupt erst kommt, bauen Betroffene in der Regel auf vorläufigen Rechtsschutz und beantragen eine einstweilige Verfügung. So auch im gegenständlichen Fall. Aber worum ging es?
Im vorliegenden Fall gründete die Antragstellerin gemeinsam mit der Antragsgegnerin eine GmbH, an der die Antragstellerin zu 9,99% am Stammkapital beteiligt war und die Antragsgegnerin zu 90,01%. Im weiteren Verlauf beabsichtigten die Parteien die Antragstellerin zur Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaft mit 50,01% Anteilsbesitz zu machen, was sie später schriftlich in einem Nachtrag zum Syndikatsvertrag festhielten. Bereits zeitlich vorgelagert hatten sie einen Syndikatsvertrag abgeschlossen, demgemäß Strukturänderungen bzw Umstrukturierungen nur mit Zustimmung der Antragstellerin erfolgen dürfen. Als Beispiele für „Umstrukturierungen“ wurden aufgezählt: Verschmelzung, Spaltung, Veräußerung oder Verpfändung von wesentlichen Vermögenswerten, Umwandlung in eine AG. Eine analoge Regel fand sich im Gesellschaftsvertrag der GmbH.
Kurz nachdem die vorstehenden Vereinbarungen (Syndikatsvertrag und Nachtrag) geschlossen waren setzte die Antragsgegnerin eine außerordentliche Generalversammlung bei der GmbH an, in der sie den Gesellschafterausschluss der Antragstellerin gemäß § 1 GesAusG begehrte (man spricht bei einem solchen Vorgang auch von „Squeeze-out“, die Antragstellerin sollte also bildlich gesprochen aus der GmbH hinausgepresst werden). Als Hauptgesellschafter mit 90% oder mehr Anteilsbesitz ermöglicht das GesAusG ein solches Vorgehen grundsätzlich. In Folge dessen wäre die 9,99% Beteiligung der Antragstellerin auf die Antragsgegnerin (also die Hauptgesellschafterin) zu übertragen (natürlich gegen angemessene Barabfindung der „hinausgepressten“ Antragsgegnerin).
Aber ist dieses, an und für sich gesetzeskonforme, Vorgehen der Antragsgegnerin auch mit dem Syndikatsvertrag vereinbar? Die Antragstellerin meinte natürlich „nein“ und begehrte per einstweiliger Verfügung, der Antragsgegnerin die Unterlassung des Squeeze-out vorzuschreiben. Und der OGH folgte ihr letztlich. Und dies auch obwohl der Squeeze-out nicht ausdrücklich als Fall einer (der Zustimmung der Antragstellerin bedürfenden) Umstrukturierung aufgezählt ist. Es handle sich dabei nur um eine demonstrative Aufzählung. Der Squeeze-out bedürfe schon nach dem (objektiv auszulegenden) Gesellschaftsvertrag der Zustimmung der Antragstellerin, ist also bei objektiver Auslegung nach Ansicht des Höchstgerichts wohl Struktur- bzw Umgründungsmaßnahme. Und erst recht bedürfe er nach dem Syndikatsvertrag der Zustimmung der Antragstellerin. Dabei kommt es dem OGH nach unserem Verständnis auch darauf an, dass schon vorab geregelt war, dass die Antragstellerin zur Mehrheitsgesellschafterin und die Antragsgegnerin zur Minderheitsgesellschafterin werden sollte und vorweg die gleiche Gewinnverteilung vereinbart wurde.
Vor diesem Hintergrund drang die Antragstellerin letztlich also mit ihrer einstweiligen Verfügung durch. Ob diese auch zeitlich rechtzeitig erlangt wurde, um noch zu helfen, ist uns nicht bekannt. Um die Parteien besonders zur Einhaltung von Syndikatsverträgen zu „motivieren“ werden übrigens mitunter auch Vertragsstrafen für den Fall der Vertragsverletzung vorgesehen.
Mag. Gernot Wilfling / Polina Jigoulina