1. Einleitung
Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen abzuberufen, wenn entweder eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben, oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mitglieds, die Abweisung eines solchen Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens oder die mehrfache erfolglose Exekution in dessen Vermögen vorliegt. Der Beirat kann nach § 14 Abs 2 PSG als weiteres Organ der Privatstiftung von den Stiftern vorgesehen sein. Somit unterliegt der Beirat auch den Regelungen zur gerichtlichen Abberufung nach § 27 Abs 2 PSG, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Der OGH entschied schon des Öfteren über eine Abberufung des Stiftungsvorstandes nach § 27 Abs 2 PSG. Es erging jedoch bis zur aktuellen Entscheidung 6 Ob 93/21a noch nie eine Entscheidung über die Abberufung des Beirates nach § 27 Abs 2 PSG.
2. OGH-Entscheidung (23.06.2021, 6 Ob 93/21a)
Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Privatstiftung ist Antragstellerin und hält Anteile an vier Kapitalgesellschaften. Laut Stiftungsurkunde ist ein Beirat eingerichtet, dessen einzige Mitglieder die beiden Antragsgegner sind. Diese bekleiden keine Funktion in den übrigen vier Gesellschaften. Dem Beirat kommen Informations-, Beratungs- und Anhörungsrechte sowie das Recht, eine Sonderprüfung zu beantragen, zu. Die Antragstellerin beantragte die Abberufung der Antragsgegner als Beiratsmitglieder nach § 27 Abs 2 PSG mit dem Vorbringen, diese hätten durch Handlungen die Tochtergesellschaften der Antragstellerin, und somit auch diese selbst, mittelbar geschädigt. Somit liege eine grobe Pflichtverletzung vor.
Der OGH sieht hier keine grobe Pflichtverletzung. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung hängt die Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 27 Abs 2 PSG vorliegt, davon ab, ob auch in Zukunft die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit gewährleistet ist. Grundsätzlich richtet sich die Beurteilung des Handelns der Organe als pflichtgemäß nach deren Kompetenzen. Bei einem Vorstandsmitglied, dem die Verwaltung, Vertretung, Buchführung und Rechnungslegung obliegen, besteht eine höhere Gefahr, die Privatstiftung zu schädigen, als bei einem Beiratsmitglied, dem nur – wie in diesem Fall – Informations-, Beratungs-, und Anhörungsrechte, sowie das Recht, eine Sonderprüfung zu beantragen, zustehen. Der Beirat hat in diesem Fall keine Möglichkeit, auf den Vorstand Einfluss zu nehmen. Eine Abberufung würde jedoch der Kontrolle des Vorstandes durch den Beirat entgegenwirken. Da die Beiratsmitglieder keine Funktionen in den Tochtergesellschaften ausüben, können sie ihr Wissen als Mitglieder eines Organs der Stiftung auch nicht zur Schädigung der Tochtergesellschaften missbrauchen.
3. Fazit
Grundsätzlich hängt eine Abberufung nach § 27 Abs 2 PSG davon ab, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Verfolgung des Stiftungszwecks gefährdet. Bei Prüfung der Handlungen von Organen ist im Einzelfall zu prüfen, welche Kompetenzen sie konkret haben, die den Stiftungszweck gefährden könnten. Somit hängt eine Abberufung von Beiratsmitgliedern aus wichtigem Grund nach § 27 Abs 2 PSG davon ab, welche Kompetenzen ihnen vom Stiftungsvertrag zugesprochen werden, und ob diese schädigend gegen die Privatstiftung genützt werden können. Bei den häufig zugewiesenen Kompetenzen (Informations-, Beratungs-, und Anhörungsrechte) besteht für den Beirat keine Möglichkeit, Einfluss auf den Vorstand zu nehmen. Somit kann der Beirat – so der OGH – nicht nachteilig auf das Funktionieren der Privatstiftung einwirken.
Es bleibt die Frage, inwieweit ausgehend von dieser Beurteilung Raum für ein pflichtwidriges Handeln eines Beirats in der hier maßgeblichen Ausgestaltung bleibt. Da dem Beirat auch die Bestellungskompetenz zukommen kann und der Vorstand Interesse an einer erneuten Bestellung hat, kann eine faktische Abhängigkeit vorliegen, die bei der Beurteilung der Abberufungsgründe bedacht werden müsste.
DDr. Katharina Müller, TEP / Dr. Martin Melzer, LL.M.