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Newsletter Erbrecht und Vermögensnachfolge Issue 4|2023

Reichweite des Geschenkannahmeverbots für Pflegepersonen

26. Juni 2023

1. Einleitung

Pflegekräfte unterliegen aufgrund der sensiblen Tätigkeit, die sie ausüben, strengen Regelungen zur Qualitätssicherung. Betreuungsbedürftige Personen befinden sich in einer besonderen Lebenssituation und benötigen aufgrund ihrer oft angreifbaren Lage besondere Schutzvorkehrungen. Neben allgemein gehaltenen Regelungen in der Gewerbeordnung 1994 ist vor allem die Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung (BGBl II 2007/278) relevant. Demnach haben Personenbetreuer etwa das Wohl des zu Betreuenden zu achten und muss sich die Betreuung an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit orientieren. Die Pflegeperson unterliegt besonderen Dokumentations- und Informationspflichten.

Für diesen Beitrag ganz besonders relevant ist das in § 1 Abs 1 der Verordnung genannte Geschenkannahmeverbot. Demnach ist es Betreuern verboten, Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistungen entgegenzunehmen. In der Entscheidung 2 Ob 15/23d hat sich der OGH mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sich dieses Geschenkannahmeverbot auch auf Zuwendungen von Todes wegen erstreckt.

2. OGH vom 21.02.2023, 2 Ob 15/23d

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2018 verstarb der Erblasser und hinterließ seine Ehegattin. Am 10.7.2015 errichtete der Erblasser ein Testament, worin er nicht seine Ehegattin, sondern seine Pflegerin und deren Ehemann als Erben einsetzte. Die Ehegattin argumentierte im Verfahren, dass sich das Verbot nach § 1 Abs 1 der Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung auch auf Zuwendungen von Todes wegen erstrecke und deshalb das Testament des Verstorbenen unwirksam sei.

Die Vorinstanzen stellten aufgrund des Testaments das Erbrecht der Pflegerin und deren Ehemannes fest. Begründend wird ausgeführt, dass der zentrale Zweck der Verordnung auf den Schutz der betreuten Person abziele. Ein solcher Schutz ist aber nach dem Tod des Pflegebedürftigen nicht mehr erforderlich, weshalb ein Vermögenszuwachs bei der Pflegerin unproblematisch sei.

Der OGH hatte an der Entscheidung der Vorinstanzen nichts zu bemängeln. Laut Höchstgericht erstrecke sich das Geschenkannahmeverbot der Pflegeperson keinesfalls dergestalt auf einen Dritten, dass dieser bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung dadurch beschränkt werden könnte. Der Grundsatz der Testierfreiheit wiegt dementsprechend stärker. Die Erbeinsetzung der Pflegerin und deren Ehemannes durch Testament war im Ergebnis wirksam.

3. Fazit

Mit der vorliegenden Entscheidung stellte der OGH klar, dass sich das Verbot der Vorteilsannahme durch Pflegepersonen nicht auch auf Zuwendungen von Todes wegen erstreckt. Dem Verstorbenen bleibt diesbezüglich seine Testierfreiheit. Man kann folglich die Pflegerin bzw den Pfleger wirksam testamentarisch bedenken.

DDr. Katharina Müller, TEP / Dr. Martin Melzer, LL.M.

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