Vor mehreren Jahren wurden die Begriffe „virtuelle Währungen“ und „Kryptowährungen“ in Zusammenhang mit Bitcoin & Co. sehr inflationär verwendet. Mit der 5. Geldwäscherichtlinie (Richtlinie 2018/843 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) wurde der Begriff „virtuelle Währung“ erstmalig legaldefiniert, was in Österreich in § 2 FM-GwG Niederschlag gefunden hat. Dabei handelt es sich um „eine digitale Darstellung eines Werts, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann.“
Für den Anwendungsbereich der MiCAR ist der Begriff des „Krypto-Assets“ essentiell. Als solches ist die digitale Darstellung eines Wertes oder Rechts, welches elektronisch mittels Distributed-Ledger-Technology (DLT) oder ähnlichen Technologien transferiert und gespeichert werden kann, zu verstehen. Während nach der 5. Geldwäscherichtlinie bzw. dem FM-GwG die Definition auffallend technologieneutral ausfällt, zielt die Definition nach der MiCAR ganz klar auf die DLT ab. Anders als die Definition des entsprechenden Begriffs im österreichischen FM-GwG, ist außerdem das Element der Akzeptanz als Tausch- oder Zahlungsmittel oder für Anlagezwecke zu dienen, nicht erforderlich. Ob Krypto-Assets den gesetzlichen Status einer Währung oder Geld besitzen, oder von einer öffentlichen Stelle oder Zentralbank emittiert oder garantiert werden, spielt ebenso keine Rolle.
Sofern und soweit Kryptowerte nicht bereits Gegenstand bestehender Regelungen sind, wie dies zum Beispiel bei Security Token in der MiFID II der Fall ist, soll die MiCAR Anwendung finden.
In der MiCAR wird zwischen E-Money Token (EMT), Asset-Referenced Token (ART) und anderen Kryptowerten differenziert. EMT, auch „Stablecoins“ genannt, sind an den Wert einer offiziellen Währung gekoppelt. Sie repräsentieren den Wert eines bestimmten gesetzlichen Zahlungsmittels, das einen stabilen Wert hat, so zum Beispiel den USD oder EUR, und können als Tauschmittel fungieren. ART sind Kryptowerte, die nicht als EMT zu qualifizieren sind und deren Wert an sonstige Werte oder Rechte oder eine Kombination daraus gekoppelt sind. Sie können beispielsweise an zwei oder mehrere offizielle Währungen oder Rohstoffe gekoppelt sein. Die dritte Kategorie (sub-category) für „andere Kryptowerte“ dient als Art Auffangbecken jener Token, die nicht als EMT oder ART zu qualifizieren sind, darunter Utility-Token und andere Token.
Während wir auf EMT und ART im nächsten Beitrag dieser Newsletter-Serie detaillierter eingehen werden, möchten wir an dieser Stelle eine Einordnung von Utility Token, Security Token und Non-fungible Token im Lichte der MiCAR vornehmen.
Ein Utility Token ist ein Kryptowert, welcher ausschließlich Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung des jeweiligen Emittenten verschafft (Art. 3 Abs. 1 Pkt. 5 MiCAR), somit einen nichtfinanziellen Zweck erfüllt. Oftmals werden diese daher mit Gutscheinen verglichen. Die MiCAR ordnet Utility Token in einer Unterkategorie ein und normiert nur wenige zusätzliche Regelungen in dem für andere Kryptowerte geltenden Teil II der Verordnung (Whitepaper).
Token, die den Wertpapierbegriff der MiFID II erfüllen, sog. Security Token, sind vom Regelungsbereich der MiCAR nicht erfasst. Auf Security Token ist (weiterhin) das MiFID II-Regime anzuwenden. Ebenso Geldeinlagen, Fonds und Altersvorsorgeprodukte sind vom Regelungsbereich der MiCAR ausgeschlossen.
Eine weitere Unterteilung von Token ist jene in fungible und nicht fungible Token. Während Erstere untereinander austauschbar sind (z.B. Bitcoin oder Ether), sind Letztere, sog. Non-fungible Token (NFT), einzigartig und sollen Rechte an bestimmten immateriellen Gütern repräsentieren. Die MiCAR schließt „einzigartige und nicht fungible Krypto-Assets“ von ihrem Anwendungsbereich dezidiert aus (Art. 2 Abs. 2a MiCAR). Dazu zählen digitale Kunst und „Collectibles“ (Sammlerstücke), deren Wert auf die einzigartigen Eigenschaften jedes Krypto-Assets und den Nutzen zurückzuführen ist, den es dem Tokeninhaber bietet. Selbiges gilt für Krypto-Assets, die Waren oder Dienstleistungen repräsentieren, die einzigartig und nicht fungibel sind, wie Produktgarantien oder Immobilien. Derartige NFTs können zwar gehandelt werden und als Spekulationsobjekt fungieren. Solche non-fungible Token sind jedoch einzigartig und eben nicht austauschbar. Ihr Wert lässt sich weder durch Marktvergleiche noch durch Vergleiche mit einem gleichwertigen Vermögenswert ermitteln. Aufgrund dieser Eigenschaften sind sie im Ausmaß des finanziellen Nutzens und daher vom Risiko für den Nutzer und das System beschränkt, was eine Regulierung durch die MiCAR nicht rechtfertigen würde. Während eine Regulierung derartiger NFTs daher ausgeschlossen wird, findet die MiCAR bei der Ausgabe von nicht fungiblen Kryptowerten, die in einzelne Kryptowerte unterteilbar sind (fractional parts), wiederum Anwendung. In diesem Zusammenhang geht es um die Ausgabe von Krypto-Assets in großen Serien oder Kollektionen, was als Indikator für ihre Handelbarkeit angesehen werden soll.
Abschließend gilt festzuhalten, dass eine einzelfallbezogene Beurteilung vorgenommen werden sollte, da die Ausgestaltung von NFTs variieren kann und daher unter Umständen ein Anwendungsfall der MiCAR zu bejahen sein kann.
Aktuelle Entwicklungen: Nach zweimaliger Verschiebung, hat am 20. April 2023 das EU-Parlament über die MiCAR abgestimmt. Mit 517 Stimmen gegen 38 bei 18 Enthaltungen wurde die Markets in Crypto-assets Regulation, und somit das weltweit erste umfassende Regelwerk zur Regulierung der Kryptoindustrie, angenommen. Der Text wurde am 09.06.2023 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. MiCAR tritt am zwanzigsten Tag nach dieser Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft (somit 29.06.2023) und gilt ab 18 Monate nach dem Tag des Inkrafttretens (somit 30.12.2024). Dabei muss aber unbedingt beachtet werden, dass die Regelungen für ART und EMT bereits ab 12 Monate nach dem Tag des Inkrafttretens (somit 30.06.2024) gelten. Es ist daher „höchste Eisenbahn“ sich auf die MiCAR vorzubereiten.
Dr. Sebastian Sieder / Lukas Messner