Nach langem Warten ist der Ministerialentwurf zum Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 endlich da. Mit diesem soll eine neue Gesellschaftsform – die flexible Kapitalgesellschaft („FlexKapG“ oder „FlexCo“) – geschaffen werden, welche insbesondere auf die Bedürfnisse der Start-up-Branche Rücksicht nimmt. Der Ministerialentwurf sieht ein Inkrafttreten mit 01.11.2023 vor.
Die FlexKapG ist eine neue Kapitalgesellschaftsform, welchen neben die bereits bestehenden Gesellschaftsformen (GmbH und AG) treten soll. Maßgebliche Rechtsvorschrift ist das Flexible Kapitalgesellschafts-Gesetz („FlexKapGG“), welches auf dem GmbHG aufbaut und subsidiär zur Anwendung kommt. Findet sich im FlexKapGG also keine eigene Regelung, kommt die entsprechende Norm des GmbHG zur Anwendung. Zudem werden teils auch Regelungen aus dem AktG übernommen und an die FlexKapG angepasst, nämlich dort, wo von Start-ups geforderte Gestaltungsmöglichkeiten lediglich durch das Aktienrecht eingeräumt wurden. Übernommen werden der Erwerb eigener Anteile, die Einziehung von Geschäftsanteilen sowie bedingte Kapitalerhöhungen und genehmigtes Kapital.
Die FlexKapG steht, anders als in den Medien teils berichtet, nicht nur Start-ups, sondern allen Gründer:innen bzw bestehenden Unternehmen offen und unterliegt im Unterschied zur sogenannten gründungsprivilegierten GmbH keinen zeitlichen Beschränkungen oder sonstigen Anwendungsvoraussetzungen. Vielmehr kann diese Gesellschaftsform von jeder Person für jeden erlaubten Zweck gegründet werden. Die FlexKapG muss insofern nicht zu einem späteren Zeitpunkt in eine reguläre GmbH überführt werden, sondern kann dauerhaft bestehen bleiben. Der Rechtsformzusatz wird FlexKapG lauten, wobei auch die englische Version FlexCo möglich sein wird, um der Internationalisierung Tribut zu zollen.
Stammkapital, Notariatsaktpflicht, klassische Geschäftsanteile und Umlaufbeschlüsse
Das Mindeststammkapital der FlexkapG beträgt (wie künftig auch bei der GmbH) EUR 10.000, wovon bei der Gründung zumindest EUR 5.000,00 eingezahlt werden müssen. Im Unterschied zur GmbH, welche eine Mindeststammeinlage je Gesellschafter von EUR 70,00 vorsieht, beträgt die Mindeststammeinlage bei der FlexKapG lediglich EUR 1,00. Es sind also auch „Zwergbeteiligungen“ von (bei Mindeststammkapital) bis zu 0,01% möglich.
Zentrales Argument für die FlexKapG ist sicher, dass der Gesetzgeber hier die speziell in der Start-up-Branche (aus guten Gründen) äußerst ungeliebte Notariatsaktpflicht zumindest zurückdrängt, während man bei GmbH-Gründungen und Anteilsübertragungen weiterhin immer zum/zur Notar:in muss. Bei der FlexKapG spart man sich das künftig zumindest bei Anteilsübertragungen und Kapitalerhöhungen. Diese Vorgänge kann nämlich auch der/die vertragserrichtende Anwält:in „bezeugen“. Bei der Gründung der FlexKapG bleibt es dagegen bei der notariellen Mitwirkung, sofern nicht die (sehr restriktiven) Anwendungsvoraussetzungen für eine vereinfachte Gründung gegeben sind, wie sie auch derzeit schon für die GmbH bestehen (§ 9a GmbHG; nur ein/e Gesellschafter:in, der/die eine natürliche Person ist und gleichzeitig einzige/r Geschäftsführer:in wird).
Wesentliche Änderungen gibt es auch bei den Rechten der Gesellschafter:innen: Das GmbHG sieht zwingend vor, dass für einen schriftlichen Umlaufbeschluss die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter:innen (zum Prozedere, nicht zum Inhalt selbst) erforderlich ist. Dies ändert sich mit dem FlexKapGG dahingehend, dass im Gesellschaftsvertrag hiervon abgegangen werden kann. Für eine gültige schriftliche Beschlussfassung muss der/die stimmberechtigte Gesellschafter:in bloß die Möglichkeit haben, an der Abstimmung teilzunehmen. Ob er/sie das tatsächlich tut ist irrelevant. Für die Feststellung der für den jeweiligen Beschlussgegenstand erforderlichen Mehrheit kommt es dann aber nicht nur auf die abgegebenen Stimmen, sondern auf die Gesamtzahl der allen Gesellschafter:innen zustehenden Stimmen an. Man kann im Gesellschaftsvertrag zudem vorsehen, dass Textform ausreichend ist, womit eine Stimmabgabe per E-Mail möglich wird. Conclusio: Umlaufbeschlüsse der Gesellschafter:innen sind bei der FlexKapG deutlich einfacher als bei der GmbH.
Unternehmenswert-Anteile
Mitunter die größte Innovation sind die sogenannten Unternehmenswert-Anteile. Diese gewähren ihrem/ihrer Eigentümer:in anteiligen Anspruch am Bilanzgewinn und am Liquidationsgewinn (bzw Veräußerungserlös), gewähren jedoch kein Stimmrecht, sondern lediglich ein Teilnahmerecht an der Generalversammlung. Man ist also vermögensrechtlich gestellt wie ein/eine „echte/r“ Gesellschafter:in, nicht jedoch was die Einflussmöglichkeiten betrifft, wodurch sich Unternehmenswert-Anteile bestens für Mitarbeiter:innenbeteiligung eignen, aber keinesfalls auf diesen Anwendungsfall limitiert sind. Unternehmenswert-Anteile dürfen im Ausmaß von bis zu 25% des Stammkapitals ausgegeben werden.
Grundsätzlich sind die neuen Möglichkeiten jedenfalls zu begrüßen und wir gehen davon aus, dass nicht nur Neugründer:innen, sondern auch bestehende Start-ups und einige KMU davon Gebrauch machen werden (zur Möglichkeit der Umwandlung siehe den Beitrag „Die FlexKapG ist da – Jetzt umwandeln?“). Die Flexibilität von Kapitalgesellschaften wird spürbar erhöht und für Gründer:innen und insbesondere Start-ups eröffnen sich viele neue Möglichkeiten. Gleichzeitig muss man sich jedoch die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, Änderungen in das GmbHG aufzunehmen und dadurch zu gewährleisten, dass eine auch international bekannte und etablierte Rechtsform verwendet werden kann.
Matthias Konrad, LL.M.