Sachverhalt
Der Sachverhalt dieser Entscheidung ist auch aufgrund zahlreicher Vorprozesse sehr komplex und wird im Folgenden stark verkürzt wiedergegeben:
Der international renommierte Künstler W widmete kurz vor seinem Tod einer von ihm errichteten Privatstiftung beträchtliche Vermögenswerte, konkret eine große Anzahl seiner Kunstwerke. Diese Vermögenswidmung wurde vom Verlassenschaftskurator (unter Beitritt der testamentarisch als Miterben eingesetzten Kinder von W) angefochten und mit Entscheidung des OGH vom 30.10.2018 zu 2 Ob 13/18b als formungültig aufgehoben. Die Vermögenswerte befanden sich daher weiterhin im Nachlass.
Das zuletzt von W errichtete Testament beinhaltetet folgende kassatorische Klausel:
„Die Zuwendung jener Vermögenswerte, die ich zu meinen Lebzeiten der […] Privatstiftung übertragen habe – es sind dies im Wesentlichen von mir geschaffene Kunstwerke, Werknutzungsrechte an meinen Kunstwerken und eine Sammlung von Werken anderer Künstler –, darf von meinen Erben weder angefochten, noch zum Gegenstand von Erbteilsergänzungsforderungen gemacht werden; dies bei sonstigem Verlust des ihnen in Punkt Erstens zugedachten Erbteiles.“
Rechtliche Beurteilung des OGH
Der OGH hatte nun zu entscheiden, ob die Kinder aufgrund der erfolgten erfolgreichen Anfechtung der Vermögenswidmung an die Privatstiftung ihren Erbteil verlieren und sprach dazu folgendes aus:
In Punkt 4 enthält das Testament eine sog kassatorische Klausel (Verwirkungsklausel), das ist eine im Rahmen der Testierfreiheit grundsätzlich zulässige auflösende Bedingung oder Auflage.
Der Erbe, der den letzten Willen bestreitet (bzw versucht, der letztwilligen Verfügung ihre Wirksamkeit zu nehmen), um zB eine Belastung zu vermeiden, soll demnach nach dem Willen des Erblassers den letztwillig zugedachten Vorteil oder das gesetzliche Erbrecht verlieren.
Der Erblasser bestimmt innerhalb des Zulässigen die Reichweite des Bestreitungsverbots, was durch Auslegung der Erklärung zu erforschen ist.
Der Senat hat aber bereits zu 2 Ob 122/20k festgehalten, dass der Erblasser mit dem Testament 2012 die Stiftung gegen Ansprüche der Witwe und der Kinder absichern wollte („vollständig zu schützen“). Vor dem Hintergrund des vom Erblasser intendierten vollen Schutzes der Privatstiftung vor Ansprüchen der Witwe und der Kinder, entspricht diese umfassende Anwendung der kassatorischen Klausel dem Erblasserwillen.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass mit der den Kindern zuzurechnenden Klage der Verlassenschaft gegen die Stiftung gegen die wirksame Bestreitungsklausel verstoßen wurde, was dem gesetzlichen Erbrecht der Kinder im Sinn des letzten Willens des Erblassers entgegensteht.
Fazit
Immer wieder stehen sogenannte kassatorische Klauseln oder Verwirkungsklauseln im Mittelpunkt von Erbrechtsstreitigkeiten. Dabei handelt es sich um erbrechtliche Instrumente zum Schutz des Erblasserwillens. Der Testator bezweckt dadurch seinen letzten Willen vor Angriffen durch belastete Personen zu schützen.
Kassatorische Klauseln finden sich aber auch in einer Vielzahl von Stiftungserklärungen. Mitunter sind diese Klauseln – wie die nachfolgende Musterklausel zeigt – sehr aus-schweifend ausgestaltet, sodass sich die Frage nach der zulässigen Reichweite solcher Klausel stellt:
„Wer diese Stiftung als solche, ihre Errichtung oder ihren Bestand, ihre Stiftungsurkunde oder Stiftungszusatzurkunde, sonstige die Stiftung betreffende Urkunden, Vermögenszuwendungen, von wem auch immer diese erfolgt sein sollten, sowie Beschlüsse ihrer Organe, die sich auf Gesetz, Stiftungsurkunde, Stiftungszusatzurkunde oder andere die Stiftung betreffende Urkunden stützen, ganz oder teilweise, direkt oder indirekt anficht, kann vom Stiftungsvorstand aus dem Begünstigtenkreis ausgeschlossen werden. Als Anfechtungshandlung wird bereits die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens vor einer in- oder ausländischen Behörde angesehen.“
Bei kassatorischen Klauseln ist stets Vorsicht geboten. Dies nicht nur für den betroffenen Begünstigten, sondern auch für den Stiftungsvorstand, der die Klausel vollziehen muss. So werden etwa Anfechtungshandlungen gegen Beschlüsse des Vorstands niemals zum Ausschluss der Begünstigung führen können. Dasselbe gilt für die Geltendmachung gesetzlicher Begünstigtenrechte, wie den Auskunftsanspruch oder einen Antrag auf gerichtliche Abberufung des Stiftungsvortandes. Aber auch bei Anfechtungshandlungen im eigentlichen Sinn ist der Anwendungsbereich der kassatorischen Klausel letztlich äußerst eng. Dennoch empfiehlt es sich für Begünstigte vor einer geplanten Anfechtungshandlung rechtlichen Rat einzuholen.
Stifter sollten sich vor allem dann genau überlegen kassatorische Klauseln aufzunehmen, wenn Begünstigtenpositionen zur Deckung von Pflichtteilen eingerichtet wurden. Der betroffene Begünstigte hätte es dann in der Hand durch eine Anfechtungshandlung und den daran anknüpfenden Verlust der Begünstigtenstellung das Pflichtteilsdeckungskonzept zu Fall zu bringen.
Martin Melzer
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