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Virtuelle Hauptversammlungen: Was ist eine „elektronische Stimmabgabe“ im Sinne des § 3 Abs 4 VirtGesG?

Seit letzten Sommer gibt es ein Gesetz über virtuelle Gesellschafterversammlungen, welches das virtuelle Format zulässt, wenn eine entsprechende Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag bzw der Satzung verankert ist. Für sogenannte „moderierte Versammlungen“, wie sie bei börsenotierten Aktiengesellschaften abgehalten werden, ist zur Stimmabgabe durch Aktionär:innen im Gesetz lediglich vorgesehen: „Bei allen Abstimmungen können die [Aktionär:innen] ihr Stimmrecht im Wege elektronischer Kommunikation ausüben“. Aber was genau bedeutet dies und wie erfolgt die Stimmausübung in der Praxis börsenotierter Aktiengesellschaften, bei welchen es ja eine Vielzahl an Teilnehmer:innen gibt?

Die Erläuterungen zum Gesetz sagen zunächst, dass die Gesellschaft in der Umsetzung frei ist (wobei sie freilich an allfällige Vorgaben in der Satzung gebunden ist). Denkbar sei laut den Erläuterungen eine entsprechende Funktion über ein Gesellschafterportal ebenso wie ein Textfeld oder eine spezielle E-Mail-Adresse, an welche die Stimmrechtsausübung übersendet werden kann. Und es könne auch eine entsprechende Abstimmungssoftware zum Einsatz kommen. Ansonsten gibt es als Vorgabe noch, dass auf die Aktionärsgleichbehandlung sowie die Barrierefreiheit des gewählten Wegs zu achten ist. Und natürlich muss der Abstimmungsvorgang für die Gesellschaft administrierbar sein.

In der österreichischen Praxis konnte man mitunter vereinzelt ein Abstimmungstool beobachten, welches über einen Aktionärsbereich den Aktionär:innen die Abstimmung ermöglichte. Eine börsenotierte Bank beschreitet bei ihren hybriden Hauptversammlungen diesen Weg regelmäßig. Die bisher einzige rein virtuelle Hauptversammlung einer börenotierten AG nach dem VirtGesG sah als elektronisches Kommunikationsmittel für die Stimmabgabe der Aktionär:innen dagegen das E-Mail vor. Dazu wurde eine spezielle E-Mail-Adresse eingerichtet, an welche die Aktionär:innen ihre Stimmabgaben übermitteln konnten. Für die Stimmabgabe wurde ein verpflichtend zu verwendendes Formular bereit gestellt. Die Gestaltung eines solchen ist durchaus anspruchsvoll. Während man etwa Abstimmungskästchen zu den Beschlussvorschlägen von Vorstand und Aufsichtsrat gut vorbereiten kann, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Aktionärsanträgen. Speziell interessant ist hier natürlich, wie man die Abstimmungsmöglichkeit über allfällige Ad-hoc-Sonderprüfungsanträge von Aktionär:innen in das Formular einbaut. Denkbar wäre, für den Fall der Stellung eines solchen Antrags ein gesondertes Abstimmungsformular zur Verfügung zu stellen. Wichtig bei der elektronischen Stimmabgabe ist jedenfalls, dass dem/der Aktionär:in seine/ihre Stimmabgabe zu bestätigen ist.

Nach der Hauptversammlung(ssaison) ist bekanntlich vor der Hauptversammlungs(saison). Wer im heurigen Jahr den Weg einer virtuellen Hauptversammlung nach dem VirtGesG beschreiten möchte, den beraten wir dabei gern. Ich durfte seit COVID nicht nur über unzählige Stimmrechtsvertretungen viel Erfahrung mit virtuellen Hauptversammlungen sammeln, sondern war auch als Berater der börsenotierten Gesellschaft bei der ersten virtuellen Hauptversammlung nach dem VirtGesG tätig.

Gernot Wilfling

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