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Erben vs. Privatstiftung: Geht der Pflichtteil verloren?

 

Was können Pflichtteilsberechtigte tun, wenn der Erblasser sein Vermögen in eine Privatstiftung eingebracht hat?

Privatstiftungen sind derzeit vor allem im Zusammenhang mit der Causa Benko in aller Munde. Während dort die Gläubiger versuchen, ihr Geld von den diversen Stiftungen im Umfeld der Familie Benko zurückzuerlangen, häufen sich auch im erbrechtlichen Kontext die Fälle, in denen verkürzte Pflichtteilsberechtigte ihre Ansprüche gegen Privatstiftungen des Verstorbenen durchsetzen wollen bzw müssen. Im folgenden Blogbeitrag wird gezeigt, wie dies gelingen kann und welche Stolpersteine drohen.

Ausgangsfall

A errichtet eine Privatstiftung und überträgt ihr sein gesamtes Vermögen. Er behält sich wesentliche Rechte in der Privatstiftung vor, unter anderem die Rechte, die Stiftungsurkunde zu ändern und die Privatstiftung zu widerrufen. Seine Tochter B ist Begünstigte dieser Privatstiftung. 5 Jahre später verstirbt A. Da die Vermögenswerte längst an die Privatstiftung übertragen wurden, hat die Verlassenschaft keinen Wert. Da der Nachlass als Berechnungsbasis für die Pflichtteile herangezogen wird, beträgt der Pflichtteil seines Sohnes C ebenfalls null. Geht C wirklich leer aus, oder kann er sich gegen diese Ungerechtigkeit wehren?

Privatstiftung und Schenkungsanrechnung

Damit das Pflichtteilsrecht nicht durch Schenkungen umgangen werden kann, gibt es das Instrument der Schenkungsanrechnung. Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten getätigt hat, werden in der Berechnungsbasis für die Pflichtteile berücksichtigt. Reicht die Verlassenschaft nicht aus, um die so erhöhten Pflichtteil zu begleichen, kann der Geschenknehmer in Anspruch genommen werden

Eine grundsätzliche Unterscheidung trifft das Gesetz zwischen Schenkungen an andere Pflichtteilsberechtigte (Kinder, Ehegatten), die unbefristet anzurechnen sind, und solche an Dritte, die nur dann anzurechnen sind, wenn sie innerhalb von 2 Jahren vor dem Ableben erfolgten.  Hat der Erblasser also vor 30 Jahren seiner Tochter ein Haus geschenkt, unterliegt diese Schenkung der Schenkungsanrechnung, weil die Tochter pflichtteilsberechtigt ist. Hat er hingegen 3 Jahre vor seinem Tod ein Haus an seine Lebensgefährtin geschenkt, gehen die Pflichtteilsberechtigten leer aus, weil die Lebensgefährtin nicht pflichtteilsberechtigt und die 2-Jahresfrist bereits abgelaufen ist.

Doch wie verhält es sich, wenn die Geschenknehmerin eine Privatstiftung ist? Hier wird die Sache (noch) komplizierter: Klar ist zunächst, dass die Privatstiftung keine pflichtteilsberechtigte Person ist und daher die 2-Jahresfrist zur Anwendung kommt. Hat sich der Stifter aber bestimmte Rechte in der Privatstiftung vorbehalten, wird fingiert, dass die Schenkung noch nicht wirklich gemacht wurde, weshalb die 2 Jahresfrist nicht zu laufen beginnt.   

 

Zurück zu unserer Frage: Geht C wirklich leer aus, oder kann er sich gegen diese Ungerechtigkeit wehren?

Im Ausgangsfall kann B seinen erhöhten Pflichtteil tatsächlich von der Privatstiftung fordern, obwohl sein Vater das Vermögen bereits vor 5 Jahren an die Privatstiftung übertragen hat. Dies, weil sein Vater aufgrund seiner starken Rechte in der Privatstiftung das Vermögensopfer nicht erbracht hat und die Frist für die Schenkungsanrechnung nie zu laufen begann.

Mithilfe des nunmehr auch gegen Geschenknehmer zustehenden erbrechtlichen Auskunftsanspruchs kann B zunächst von der Privatstiftung Auskünfte über das eingebrachte Vermögen einholen. Mithilfe dieser Informationen kann dann der Pflichtteilsanspruch bewertet werden. Gelingt keine außergerichtliche Einigung mit der Privatstiftung, kann der Pflichtteil gegen die Privatstiftung gerichtlich geltend gemacht werden.

Doch nicht nur gegen die Privatstiftung:

Ein Aspekt im Ausgangsfall wurde noch nicht beachtet, nämlich die Begünstigtenstellung der Schwester B. Hat diese Begünstigtenstellung eine gewisse Qualität, sodass sie bewertet werden kann, ist sie ebenfalls als Schenkung des Vaters zu werten, die der pflichtteilsrechtlichen Schenkungsanrechnung unterliegt. B müsste dann – vereinfacht gesagt –  seinen erhöhten Pflichtteil teilweise gegen die Privatstiftung und teilweise gegen seine Schwester geltend machen. 

Schlussbemerkung

Die pflichtteilsrechtliche Schenkungsanrechnung ist an sich bereits ein komplexes Rechtsgebiet. Kommt eine Privatstiftung ins Spiel, wird es noch komplexer. Viele Fragen sind hier auch noch offen: Wie verhält es sich etwa mit dem Beginn von Fristen, wenn der Stifter zwar formal keine Rechte in der Privatstiftung hat, faktisch aber bestimmenden Einfluss ausübt? Ein anderer weitestgehend ungeklärter Bereich ist die Frage, wie Begünstigtenstellungen oder andere Rechtsstellungen in der Privatstiftung zu bewerten sind.

Die vielen offenen Fragen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die Schnittstelle Erbrecht und Privatstiftung erst vor relativ kurzer Zeit erstmals im Gesetz berücksichtigt wurde.  Deswegen harren hier  viele Detailfragen noch einer oberstgerichtlichen Klärung. 

Martin Melzer/Nina Huber

Standard Blog „Erben ohne Streit“