Crowdfunding hat sich als Mittel der Finanzierung von Projekten vor allem mit kleineren Investitionsvolumen etabliert. Grundsätzlich ist unter Crowdfunding gemäß FMA zu verstehen, dass Finanzierungssuchende (Projektträger) über eine vermittelnde Plattform finanzielle Mittel von einer breiten Öffentlichkeit von Investoren einsammeln. Rund um Crowdfunding setzten auch Dienstleister Geschäftsmodelle um (Plattformbetreiber, Vermittler etc). Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Regelungen für die Dienstleistungserbringung existiert keine einheitliche gesetzesübergreifende Definition, was unter einer Crowdfunding-Dienstleistung zu verstehen ist. Der Rechtsrahmen für Crowdfunding ist durchaus komplex.
Für Crowdfunding besteht ein nationales Regime nach Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) und ein Europäisches Regime nach der Verordnung (EU) 2020/1503 über Europäische Crowdfunding-Dienstleister (ECSP-VO). Das AltFG wird oft auch als „Crowdfunding-Gesetz“ bezeichnet und geht nicht zuletzt auf die Auseinandersetzung des Waldviertler Schuhproduzenten Staudinger mit der FMA iZm Crowdfunding zurück. Will man mittels Crowdfunding Kapital von über EUR 250.000 bis unter EUR 2 Mio einwerben, muss insbesondere die AltFG-Informationspflicht eingehalten werden. Dafür ist ein Anleger-Informationsblatt gemäß der AltF-InfoV notwendig. Daneben existiert seit 2021 mit der ECSP-VO erstmals ein harmonisierter Crowdfunding-Regulierungsrahmen für die gesamte EU. Damit soll EU-weites Crowdfunding erleichtert werden. Die Zulassung nach der ECSP-VO sieht ein maximales Finanzierungsvolumen von EUR 5 Mio pro Projektträger und Jahr vor. Außerdem gibt es auch noch die zweite Finanzmarktrichtlinie (MiFID II), welche mit der nationalen Umsetzung im WAG Wertpapierdienstleistungen generell reguliert.
Die ECSP-VO ist auf Schwarmfinanzierungsdienstleister anwendbar. Als solche gelten juristische Personen, die Schwarmfinanzierungsdienstleistungen erbringen. Die ECSP-VO Schwarmfinanzierungsdienstleistung als die Zusammenführung von Geschäftsfinanzierungsinteressen von Anlegern und Projektträgern mithilfe einer Schwarmfinanzierungsplattform, durch eine der folgenden Tätigkeiten: „(i) Vermittlung von Krediten; (ii) die Platzierung — ohne feste Übernahmeverpflichtung im Sinne des Anhangs I Abschnitt A Nummer 7 der Richtlinie 2014/65/EU — von übertragbaren Wertpapieren und für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumenten, die von Projektträgern oder einer Zweckgesellschaft ausgegeben wurden, sowie die Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen im Sinne von Nummer 1 jenes Abschnitts in Bezug auf diese übertragbaren Wertpapiere und für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumente;“ (Art 2 Abs 1 lit a ECSP-VO). Bereits der Wortlaut der Bestimmung führt zu Auslegung, dass nur die gemeinsame Erbringung der oben beschriebenen Platzierung mit der oben beschriebenen Annahme und Übermittlung in den Anwendungsbereich der ECSP-VO fällt. Dies verdeutlicht auch ein Blick auf die für die Auslegung so wichtigen Erwägungsgründe: „Die vorliegende Verordnung sollte auf Schwarmfinanzierungsdienstleistungen Anwendung finden, die die gemeinsame Erbringung der Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen und die Platzierung von übertragbaren Wertpapieren oder für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung auf einer öffentlichen Plattform, die Anleger unbeschränkten Zugang bietet, umfassen.“ Insofern liegt es in der Hand des Schwarmfinanzierungsdienstleister, ob er sich der ECSP-VO unterwerfen will, indem er beide oben genannten Schwarmfinanzierungsdienstleistungen erbringt, oder nicht (indem er nur eine der beiden Schwarmfinanzierungdienstleistungen erbringt). Zweiteres würde dann zur Anwendbarkeit der MiFID II-Regimes führen, wo ja die Platzierung und Annahme und Übermittlung, jeweils, im obigen Sinne definiert und geregelt sind. Diese sich aus dem Wortlaut der ECSP-VO ergebende Auslegung wird so auch von ESMA und BaFin vertreten.
Weniger klar bezüglich einer solchen „Wahlmöglichkeit“ zwischen MiFID II bzw deren Umsetzung im WAG 2018 und ECSP-VO äußert sich leider die FMA auf ihrer Website: „Als konzessionierte Wertpapierfirma nach der MIFID II bzw dem WAG 2018 ist der Betrieb einer Crowdfunding-Plattform ausschließlich für Finanzinstrumente (insb übertragbare Wertpapiere) und nur oberhalb der Wertschwelle möglich. In diesem Bereich gilt die ECSP-VO nicht. Daher ist seitens der Projektträger insbesondere auf die Prospektpflicht nach der Prospekt-VO Bedacht zu nehmen. Plattformen, die sowohl ober- als auch unterhalb der Wertschwelle von EUR 5 Mio pro Projektträger und Jahr tätig sein wollen, müssen dementsprechend über zwei Zulassungen verfügen. Die Dienstleistungserbringung unterhalb der Wertschwelle ist seit Inkrafttreten der ECSP-VO ausschließlich mit einer Zulassung nach dieser VO erlaubt. Daher müssen Plattformen mit einer Zulassung (= Konzession) gemäß WAG 2018, die ausschließlich oberhalb der Wertgrenze agieren wollen, sehr genau darauf achten, dass diese Wertgrenze nicht unterschritten wird.“
In der Lit finden sich zudem Aussagen, die die ECSP-VO-Anwendbarkeit einschränkend interpretieren. So wird unter Verweis auf den 10. Erwägungsgrund ECSP-VO vertreten, dass die besseren Argumente dafürsprechen dürften, dass nur öffentliche Angebote – also solche, die einer großen Zahl an potentiellen Anlegern mit der Möglichkeit zu investieren, präsentiert werden – in den Anwendungsbereich der ECSP-VO fallen. Ziel der ECSP-VO sei die Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen, die Finanzierung eines Projekts zu erleichtern, indem Kapital von einer großen Zahl von Personen beschafft wird, die über ein öffentlich zugängliches internetbasiertes Informationssystem jeweils relativ geringe Anlagebeträge beitragen. „Schwarmfinanzierungsdienstleistungen sollen daher einem unbeschränkten Pool von Anlegern offenstehen, die gleichzeitig Vorschläge für Anlagen erhalten“ (vgl 10. Erwägungsgrund ECSP-VO). Jedoch werden auch Schwarmfinanzierungsplattform als ein öffentlich zugängliches, internetbasiertes, von einem Schwarmfinanzierungsdienstleister betriebenes oder verwaltetes elektronisches Informationssystem definiert (Art 2 Abs 1 lit e ECSP-VO). Als solche öffentlich zugängliche internetbasierte Informationssysteme gelten auch Systeme, die eine Registrierung der Nutzer verlangen (12. Erwägungsgrund ECSP-VO). Bemerkenswert erscheint, dass Schwarmfinanzierungsangebot als jegliche Mitteilung eines Schwarmfinanzierungsdienstleisters in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise definiert werden, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und das angebotene Schwarmfinanzierungsprojekt enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für eine Anlage in das Schwarmfinanzierungsprojekt zu entscheiden (Art 2 Abs 1 lit f ECSP-VO). Diese Definition lehnt sich zwar erkennbar an die Definition aus dem Prospektrecht an, unterscheidet sich aber insofern als dort für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren „eine Mitteilung an die Öffentlichkeit“ gefordert wird.
Weiters wird in der Lit die ECSP-VO-Anwendbarkeit dann abgelehnt, wenn über die Plattform keine Schwarmfinanzierungsprojekte finanziert werden, sondern es Kreditoren ermöglicht werden soll ihre Rechnungen vor deren Fälligkeit vorfinanzieren zu lassen. Die ECSP-VO definiert Schwarmfinanzierungsprojekt als die Geschäftstätigkeit(en), für die ein Projektträger eine Finanzierung über das Schwarmfinanzierungsangebot anstrebt (Art 2 Abs 1 lit l ECSP-VO). Nähere Auskunft, was unter Geschäftstätigkeit(en) zu verstehen sein könnte gibt (nur) der 3. Erwägungsgrund der ECSP-VO, wo es heißt „Schwarmfinanzierung kann dazu beitragen, KMU Zugang zu Finanzmitteln zu verschaffen und die Kapitalmarktunion zu vollenden. Ein mangelhafter Zugang von KMU zu Finanzmitteln ist auch in den Mitgliedstaaten ein Problem, in denen der Zugang zu Bankkrediten während der gesamten Finanzkrise stabil blieb. Schwarmfinanzierung ist eine zunehmend gängige Praxis geworden, wenn es um die Finanzierung von Geschäftstätigkeiten von natürlichen und juristischen Personen geht.“ Dies deutet tatsächlich darauf hin, dass nur die Finanzierung des Unternehmensgegenstands umfasst sein soll.
Wir hoffen, dass die FMA insbesondere bezüglich Abgrenzung ECSP-VO/MiFID II genauer Stellung bezieht und für Rechtssicherheit sorgt. Eine Aufsichtsarbitrage zwischen ESMA, BaFin einerseits und FMA andererseits würde den Zielen der Regulierung klar zuwiderlaufen.
Sebastian Sieder
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