„Grüne Investitionen“ erfreuen sich heutzutage zunehmender Beliebtheit. In den letzten Jahren ist das Interesse von Emittent:innen und Anleger:innen an grünen, nachhaltigen und ökologischen Investitionsmöglichkeiten wesentlich gestiegen. Themen wie Klimaneutralität und Umweltschutz gewinnen immer mehr an Bedeutung, selbst auf dem Kapitalmarkt. Mit der EU-Verordnung über europäische Green Bonds hat der EU-Gesetzgeber einen europaweit geltenden Marktstandard für nachhaltige grüne Anleihen festgelegt und verbindliche Vorgaben für die Nutzung des Labels „European Green Bond“ oder „EuGB“ vorgegeben. Die Verordnung tritt am 21. Dezember 2024 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen Emittent:innen den in der Verordnung festgelegten Anforderungen entsprechen, um ihre Anleihen als „europäische grüne Anleihe“ oder „EuGB“ zu vermarkten. Die Nutzung des Labels ist freiwillig. Emittent:innen können daher weiterhin grüne Anleihen nach anderen freiwilligen Marktstandards, wie zB nach den von der ICMA (International Capital Markets Association) entwickelten Prinzipien, emittieren. Der „European Green Bond“-Standard gilt jedoch als Goldstandard am Markt und sichert den Anleger:innen umfassende Einsichtsmöglichkeiten bei der Verwendung des investierten Geldes.
Grüne Anleihen sind Anleihen, deren Erlös für grüne bzw ökologisch nachhaltige Projekte verwendet werden sollten. In diesem Zusammenhang spiel auch die Taxonomie-VO eine wichtige Rolle. Gemäß Art 4 der Verordnung sind die Erlöse europäischer grüner Anleihen grundsätzlich vollständig und während der gesamten Laufzeit taxonomiekonform zu verwenden. Eine gewisse Flexibilität bietet jedoch Art 5 der Verordnung: Im Unterschied zu früheren Fassungen sind nicht mehr zwingend 100 % der Erlöse taxonomiekonform zu verwenden. Die Emittent:innen können bis zu 15 % der Erlöse für Wirtschaftstätigkeiten verwenden, die die Taxonomieanforderungen mit Ausnahme der technischen Bewertungskriterien erfüllen (zB wenn für die Wirtschaftstätigkeit zum Zeitpunkt der Emission keine technischen Bewertungskriterien gelten).
Ein wesentlicher Unterschied zum Entwurf aus 2021 liegt darin, dass eine Anleiheemission nur dann als EuGB qualifiziert werden kann, wenn die Vermarktung der Anleihe aufgrund eines veröffentlichten Prospekts nach der EU-Prospektverordnung erfolgt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Erstellung des Prospekts ohnehin verpflichtend wäre oder freiwillig erfolgt. Von der Prospektpflicht sind lediglich staatliche Anleihen ausgenommen. Die damit verbundenen Kosten und das Prospekthaftungsrisiko stellen einen Nachteil dar, der die Nutzung des EU-Labels weniger attraktiv macht. Darüber hinaus steht diese Regelung in einem gewissen Widerspruch zum Zweck des EU-Listing Acts, der die Prospekterfordernisse eher abschwächen wollte.
Abgesehen von der Prospektpflicht unterliegen Emittent:innen verschiedenen Berichts- und Informationspflichten. Neben dem Wertpapierprospekt müssen sie vor der Emission ein Informationsblatt erstellen. Dieses enthält Angaben zur geplanten taxonomiekonformen Erlösverwendung. Um die vom Gesetzgeber angestrebte Transparenz sicherzustellen, sind Emittent:innen verpflichtet, bis zur vollständigen Verwendung des Erlöses jährlich Allokationsberichte zu veröffentlichen. Die Allokationsberichte dokumentieren die ordnungsgemäße Erlösverwendung, wodurch Anleger:innen überprüfen können, ob der/die Emittent:in die eingesammelten Erlöse gemäß den Angaben im Informationsblatt verwendet hat. Nachdem alle Erlöse verwendet werden, ist noch ein Wirkungsbericht zu erstellen, der die Auswirkungen der Anleiheerlöse auf die von dem/der Emittent:in verfolgten Umweltziele erläutert. Ein standardisiertes Format für das Informationsblatt sowie für den Allokations- und Wirkungsbericht gewährleistet die leichte Vergleichbarkeit verschiedener EuGB-Emissionen. Informationsblätter und Allokationsberichte werden außerdem von externen Prüfer:innen geprüft (Vor- und Nachemissionsprüfung). Dabei haben die Prüfer:innen eine positive Stellungnahme abzugeben. Der Wirkungsbericht ist grundsätzlich davon ausgenommen, eine freiwillige Begutachtung ist jedoch möglich. Externe Prüfer:innen müssen sich bei der ESMA registrieren lassen und werden von dieser laufend überwacht. Fachliche Qualifikation, ausreichende Berufserfahrung und Unabhängigkeit sind dabei unerlässliche Voraussetzungen.
Die Verordnung umfasst weiters auch andere Arten von Anleihen, nämlich als ökologisch nachhaltig vermarktete Anleihen und an Nachhaltigkeitsziele geknüpfte Anleihen. Ökologisch nachhaltig vermarktete Anleihen sind gem Art 2 Z 5 der Verordnung „Anleihen, deren Emittent den Anlegern zusagt oder in irgendeiner Form vorvertraglich zusichert, dass die Erlöse aus dieser Anleihe für Wirtschaftstätigkeiten verwendet werden, die zu einem Umweltziel beitragen.“ An Nachhaltigkeitsziele geknüpfte Anleihen sind, gem Art 2 Z 6 der Verordnung Anleihen, „deren finanzielle oder strukturelle Merkmale in Abhängigkeit davon variieren, ob der Emittent vorab festgelegte Ziele in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit erreicht.“ Für diese Arten von Anleihen besteht keine Prospektpflicht. Die Verordnung sieht allerdings Vorlagen für fakultative Offenlegungen vor. Dies ermöglicht es, die Emissionen durch Verwendung einheitlicher Muster einheitlich zu dokumentieren.
Die FMA, als national zuständige Aufsichtsbehörde, überwacht die ordnungsmäßige Erfüllung der Transparenz- und Berichtspflichten. Dazu gehört unter anderem die Befugnis, von den Emittent:innen die Veröffentlichung der Informationsblätter, Prüfungen, Allokationsberichte und des Wirkungsbericht zu verlangen.
Die mit den Standards verbundenen hohen Transparenzanforderungen steigern das Vertrauen und die Attraktivität von europäischen grünen Anleihen erheblich. Die Verordnung ermöglicht es den Anleger:innen, die tatsächliche Verwendung ihrer Investitionen zu überwachen und damit Projekte zu unterstützen, die sie aus Gründen der Nachhaltigkeit oder des Umweltschutzes für die Zukunft als wichtig finden. Die Verordnung stellt außerdem einen weiteren wesentlichen Schritt zur Verhinderung von Greenwashing innerhalb der EU dar. Dennoch können die erhöhten Dokumentations- und Berichtspflichten sowie die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen kleinere bzw mittelständische Emittent:innen davon abhalten, in dieser Form grüne Anleihen zu emittieren. Die Verwendung des EU-Labels gilt jedoch, wie schon erwähnt, als Goldstandard am Markt und wird sicherlich für viele Emittent:innen attraktiv sein.
Dominika Szanto
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