Grundsätzlich muss die Einhaltung von ÖNORMEN vertraglich vereinbart werden. Eine Ausnahme sind hier die technischen ÖNORMEN – sie spiegeln den Stand der Technik wider und sind daher von Auftragnehmern bei ihrer Leistungserbringung im Zweifel immer geschuldet.
Sachverhalt
Eine Hauseigentümerin beauftragte ein Unternehmen mit der Sanierung ihres undicht gewordenen Flachdachs. Das Dach war zwar nach Abschluss der Sanierungsarbeiten dicht und funktionstauglich, das nicht ausreichende Dachgefälle entsprach aber nicht den geltenden ÖNORMEN. Es besteht die Gefahr, dass Feuchtigkeit in die Dachschicht eintritt und die Dachhaut durch stehendes Wasser geschädigt wird. Wenn die jährliche Wartung ordnungsgemäß durchgeführt wird, sind durch die nicht ÖNORM-konforme Ausführung aber keine Spätschäden am Dach zu erwarten.
Das Unternehmen weigerte sich den Mangel auf eigene Kosten zu beheben mit der Begründung, eine Ausführung nach ÖNORM wäre vertraglich nicht vereinbart worden und sei weder ein Schaden entstanden noch ein solcher zu erwarten. Die Dachsanierung wäre entsprechend der angebotenen Leistungen ausgeführt worden. Zudem müssten nicht vom Auftrag erfasste Leistungen ohnehin von der Hauseigentümerin vergütet werden („Sowieso-Kosten“).
Das Dach ist noch nicht saniert. Die Hauseigentümerin begehrte im Verfahren die voraussichtlich anfallenden Sanierungskosten durch ein Drittunternehmen, das sog „Deckungskapital“, und bekam in allen drei Instanzen Recht.
Entscheidung – OGH: 27.06.2024, 5 Ob 200/23g
Bei einem Werkvertrag hat der Werkunternehmer das vertraglich geschuldete Werk herzustellen. Sofern die geschuldeten Eigenschaften des Werks nicht ausdrücklich vereinbart wurden, bestimmen sich diese letztlich aus der Verkehrsauffassung. Das bedeutet, die anerkannten Regeln der Technik des jeweiligen Fachs zum Zeitpunkt der Leistungserbringung sind zu beachten. ÖNORMEN spiegeln grundsätzlich den Standard des jeweiligen Baugewerbes wider.
Mangels ausrechenden Gefälles entspricht die vom Unternehmen durchgeführte Dachsanierung nicht den Vorschriften der ÖNORM. Die Leistungsbeschreibung im Angebot des Unternehmens hatte für die Hauseigentümerin keine Bedeutung. Es kam ihr, auch für das Unternehmen erkennbar, nur auf die vereinbarte Funktionalität – die Sanierung des Flachdachs – an. Das Unternehmen hat daher die Schlechterfüllung des Vertrags zu verantworten und der Hauseigentümerin die Verbesserungskosten zu ersetzen. Dies obwohl die Verbesserungskosten den Werklohn um rund ein Drittel übersteigen. Nach Ansicht der Gerichte ist das auch nicht unverhältnismäßig, weil obwohl das Dach grundsätzlich dicht und funktionstauglich ist, die Bedeutung des Mangels für die Hauseigentümerin wegen der erhöhten Gefahr von Feuchtigkeitsschäden während der gesamten Lebensdauer des Dachs nachvollziehbar ist.
Der Versuch des Unternehmens die Forderung abzuwehren mit dem Argument, die Kosten für eine ÖNORM-konforme Ausführung hätte die Hauseigentümerin als „Sowieso-Kosten“ zu tragen, scheiterte. Die Mängelbehebungskosten können nicht unter den Deckmantel der „Sowieso-Kosten“ auf die Hausbesitzerin abgewälzt werden. Sowieso-Kosten stehen nach RSP des OGH nur zu, wenn der geschuldete Erfolg mit den im Vertrag vorgesehenen Mitteln nicht erreicht werden kann.
Fazit
Das Urteil des OGH stellt klar, dass Bauunternehmen an anerkannte technische Normen gebunden sind. Selbst ohne Pauschalpeisvereinbarung kann bei einer deklarativen Leistungsbeschreibung (hier „saniere mein Flachdach“) der Auftragnehmer also dazu verpflichtet werden Leistungen zu erbringen, die so nicht in seinem Angebot kalkuliert waren. Für Unternehmen ist daher bei der konkreten Leistungsbeschreibung und Kalkulation des Angebots vor allem bei Konsumenten Vorsicht geboten: das Unternehmen hat das undichte Flachdach wieder dicht und funktionstauglich gemacht, muss jetzt aber Sanierungskosten tragen, die den Werklohn erheblich übersteigen.
Christoph Gaar
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