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Wann ist die Inanspruchnahme einer Bankgarantie rechtsmissbräuchlich?

15. Oktober 2024

Erneut hat Müller Partner beim Chambers Ranking im Bereich Real Estate: Construction sehr gute Ergebnisse erzielt und konnte somit die Positionierung unter den Top-Kanzleien Österreichs halten.

Wir sind stolz, weiterhin als Band 2 Kanzlei in Erscheinung zu treten und gratulieren DDr. Katharina Müller zum Band 1 Lawyer Ranking!

Das Baurechts-Team freut sich über exzellente Bewertung, wie “They have a very powerful and versatile team, where everyone contributes their strengths.” und “They are a very competent and high-quality firm.”

Ebenso herausragend die Quotes für DDr. Katharina Müller:
Katharina Müller boast an impressive wealth of experience in complex projects and disputes. She is well respected for her in-depth expertise in construction mandates throughout Austria, with a particular focus on contentious matters. She also advises on large infrastructure and energy construction projects.“She is a very smart lawyer who handles the technical details very well.””Katharina Müller is simply top.”

Hier gehts zum Ranking

Gegen die Ziehung einer „abstrakten Garantie“ sind keine Einwendung gegen die Hauptschuld möglich,
jedoch unterliegt sie den Grenzen des Rechtsmissbrauchs. Mit der Frage des Rechtsmissbrauchs bei einer
Sicherstellung beschäftigt sich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes.

Dieser Fall beschäftigte den Obersten Gerichtshof: Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin beauftragte die Antragsgegnerin als Generalunternehmerin mit dem Bau einer Wohnhausanlage. Die Fertigstellung verzögerte sich und die erbrachten Leistungen waren teilweise mangelhaft. Die Antragstellerin setzte mehrfach Nachfristen, die jedoch ungenutzt verstrichen. Schließlich trat sie vom Vertrag zurück und untersagte der Antragsgegnerin den Zutritt zur Baustelle. Nach dem Rücktritt stellte die Antrgasgegnerin eine Schlussrechnung, die von der Antragstellerin jedoch bestritte wurde, weil die Arbeiten nicht abgeschlossenund mängelbehaftet waren. Daraufhin rief die Antragsgegnerin eine Bankgarantie ab, um den noch ausstehenden Werklohn zu sichern. Die Antragstellerin beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung, um die Auszahlung der Garantie zu verhindern, mit der Begründung, dass der Abruf der Garantie
rechtsmissbräuchlich sei, da das Bauwerk weder fertiggestellt noch mängelfrei sei.

DIE ENTSCHEIDUNG DES OGH
Der Oberste Gerichtshof (OGH) betont, dass bei der abstrakten Bankgarantie grundsätzlich keine Einwendungen gegen die Hauptschuld
möglich sind. Sie dient dazu, dem Begünstigten (in diesem Fall die Antragsgegnerin) eine schnelle und sichere Zahlung zu gewährleisten. Ein Rechtsmissbrauch liegt nur dann vor, wenn eindeutig feststeht, dass der Anspruch des Begünstigten nicht besteht. Zweifel oder vertretbare Ansichten über das Bestehen eines Anspruchs schließe einen Rechtsmissbrauch aus.
Die Bankgarantie bezieht sich auf den Generalunternehmervertrag, der eine Zahlung des Werklohns erst nach Mängelfreistellung
vorsieht. Das Rekursgericht ging fälschlicherweise davon aus, dass eine formelle Erklärung der Mängelfreiheit durch die Antragstellerin
erforderlich gewesen wäre. Der OGH stellte klar, dass dies nicht notwendig sei und eine solche Bedingung den Zweck der Bankgarantie als Sicherungsmittel untergraben würde.

KEIN ANSPRUCH AUF WEITEREN WERKLOHN
Der Rücktritt der Antragstellerin vom Vertrag wurde vom OGH als rechtmäßig anerkannt. Er führte zur Auflösung des Vertrags mit  Wirkung ex tunc, das heißt, es bestehen keine Erfüllungsansprüche mehr, sondern nur bereicherungsrechtliche Ansprüche.
Auf Basis der bereits geleisteten Zahlungen und der zu erwartenden Ersatzvornahmekosten könnte der Antragsgegnerin bereicherungsrechtlich kein Anspruch auf weiteren Werklohn zustehen. Konkret überstiegen die bereits geleisteten Zahlungen der Antragstellerin und die von der Antragsgegnerin zu tragenden Ersatzvornahmekostennämlich den ursprünglich vereinbarten Werklohn.
Der OGH hob die Entscheidung teilweise auf, weil das Rekursgericht die Sachlage bezüglich der Frage, ob der Abruf der Bankgarantie tatsächlich rechtsmissbräuchlich war, nicht ausreichend geprüft hatte.
Insbesondere muss geklärt werden, ob die Antragsgegnerin angesichts der bestehenden Mängel und der unvollständigen Fertigstellung
berechtigt war, die Garantie in Anspruch zu nehmen.

RÜCKTRITT LÖSCHT ANSPRÜCHE
Die Inanspruchnahme einer solchen Garantie ist grundsätzlich vom Bestand der Hauptschuld unabhängig. Nur wenn eindeutig feststeht,
dass kein Anspruch besteht, kann von einem Rechtsmissbrauch gesprochen werden.
Ein solcher liegt nur vor, wenn die Inanspruchnahme der Garantie o°ensichtlich unberechtigt ist und der Begünstigte dies wusste.
Geringe Zweifel am Missbrauch führen zugunsten des Garantie-Begünstigten. Der wirksame Rücktritt vom Vertrag lässt gegenseitige
Erfüllungsansprüche erlöschen, und es entstehen bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche.
Die Antragsgegnerin könnte daher keinen weiteren Werklohn beanspruchen, wenn der Rücktritt wirksam ist und Mängel vorliegen.

Mag. Mathias Ilg

Den in der Österreichischen Bauzeitung 13 2024 erschienen Artikel finden Sie HIER zum Download