Seit 18. März 2021 sind die neuen Regelungen betreffend den „EU recovery prospectus“, zu Deutsch „EU-Wiederaufbauprospekt“, endlich anwendbar. Damit werden öffentliche Eigenkapitalemissionen börsenotierter Aktiengesellschaften (zeitlich befristet bis 31.12.2022) deutlich erleichtert.
Der neue Prospekt kann als Grundlage für ein öffentliches Aktienangebot und/oder die Zulassung neuer Aktien zum Handel an einem geregelten Markt (Amtlicher Handel der Wiener Börse) dienen. Um Eigenkapitalemissionen auf Grundlage des Wiederaufbauprospekts machen zu können, müssen (a) die bestehenden Aktien des Emittenten seit mindestens 18 Monaten ununterbrochen zum Handel im Amtlichen Handel der Wiener Börse zugelassen sein und darf (b) das Angebot neuer Aktien über einen 12-Monats-Zeitraum nicht mehr als 150% des bestehenden Aktienkapitals ausmachen. Sind diese Vorgaben erfüllt, kann der Emittent aber unabhängig davon, ob er von der Pandemie negativ beeinflusst ist oder nicht, den Wiederaufbauprospekt verwenden (dass man „am Boden liegt“ ist also keine Voraussetzung für den Wiederaufbauprospekt).
Für in den skizzierten Anwendungsbereich fallende Emittenten gilt schon seit einigen Jahren (ohne größenmäßige Begrenzung) ein vereinfachter Prospekt für Sekundäremissionen. Der Wiederaufbauprospekt bleibt diesem gegenüber umfänglich aber noch einmal deutlich zurück. Zunächst ist bloß eine verkürzte Zusammenfassung vorgesehen, die nach Vorstellung des europäischen Gesetzgebers maximal 2 DIN-A4-Seiten umfassen soll (für Details zum Inhalt siehe den neuen Art 7 Abs 12a Prospektverordnung). Zudem enthalten der neue Art 14a Prospektverordnung und ein gesonderter Anhang Va nur recht überschaubare inhaltliche Anforderungen vor. Kein Wunder: Der Wiederaufbauprospekt darf nicht mehr als 30 Seiten haben. Im Vergleich zum Volumen gewöhnlicher Prospekte für Equity-Transaktionen börsenotierter AGs ist das nur ein Drittel bis Viertel!
Inhaltlich liegt der Fokus beim Wiederaufbauprospekt allgemein auf folgenden Themen: (a) Aussichten des Emittenten; (b) bedeutende Änderungen der Finanzlage seit Ablauf des letzten Geschäftsjahrs; (c) wesentliche Informationen über die Aktien; (d) Gründe für die Emission und Auswirkungen auf die Kapitalstruktur des Emittenten; und (e) Verwendung der Erlöse. Wichtiger Inhalt sind zudem, wie bei jedem Prospekt, die Risikofaktoren.
Im Detail sticht ins Auge, dass (falls zutreffend) eine mindestens 400 Worte umfassende Beschreibung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Emittenten aufzunehmen ist (diese hat auch eine Vorausschau auf künftige Auswirkungen zu enthalten). Weiters ist im Detail anzuführen, ob und welche COVID-19-Beihilfen der Emittent erhalten hat. Angaben zu Gerichtsverfahren und wesentlichen Verträgen des Emittenten sind dagegen ebenso wenig erforderlich wie Pro-forma-Finanzinformationen. Zur Geschäftstätigkeit, zu Investitionen, zu Organmitgliedern und zu Aktionären sind zudem nur äußerst spärliche Angaben vorgeschrieben.
Um eine rasche Rekapitalisierung zu ermöglichen, ist für den Wiederaufbauprospekt ein verkürztes, lediglich fünf Arbeitstage dauerndes Prospektbilligungsverfahren vorgesehen. Die Möglichkeit der FMA, zu eingereichten Prospekten Verbesserungsaufträge zu erteilen, gibt es aber auch hier (was die tatsächliche Billigungsdauer in der Praxis verlängern wird). Und es ist natürlich nicht wegzuleugnen, dass auch das Vorbereiten des Wiederaufbauprospekts eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird (unter anderem das sorgfältige Evaluieren, Formulieren und Abstimmen der Risikofaktoren). Ungeachtet dessen ist die Neuregelung aus unserer Sicht uneingeschränkt zu begrüßen.
Ansonsten kam es im Zuge der jüngsten Änderung der Prospektverordnung im Wesentlichen zu einer Erleichterung für die Finanzierung von Kreditinstituten. Diese waren schon bisher im Fall eines Angebots oder einer Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt bestimmter Nichtdividendenwerte, die dauernd oder wiederholt bis zu einem Gesamtbetrag von EUR 75 Mio über einen Zeitraum von 12 Monaten begeben werden, von der Prospektpflicht befreit. Dieser Schwellenwert wurde bis Ende 2022 auf EUR 150 Mio erhöht. Dies insbesondere, um die Mittelbeschaffung speziell für kleine Kreditinstitute zu erleichtern.
Mag. Valentina Treichl, BA