Im Zuge der Strafrechtsreform 2015 wurde auch die Business Judgement Rule (BJR) im Aktiengesetz und im GmbH-Gesetz gesetzlich verankert. Ausgangspunkt hierfür waren Entscheidungen zur strafrechtlichen Untreue, die in Managementkreisen für Verunsicherung gesorgt hatten. Bei der BJR handelt es sich um ein aus dem angloamerikanischen Rechtsraum stammendes Prinzip, welches darauf abzielt, die Haftung von Leitungsorganen zu beschränken. Demnach sollen unternehmerische Entscheidungen des Managements einer gerichtlichen Nachprüfung dann entzogen sein, wenn die Entscheidung auf Basis angemessener Informationen frei von Interessenskonflikten und in der begründeten Annahme getroffen wurde, im besten Sinn des Unternehmens zu handeln.
Die neue Bestimmungen finden sich in § 84 Abs 1a AktG und § 25 Abs 1a GmbHG und sind fast wortgleich formuliert. Der Sinn dieser Regelungen liegt in der Schaffung eines haftungsfreien Kernbereichs unternehmerischen Ermessens bei Geschäftsentscheidungen des Handlungsorgans. Dadurch soll eine übergroße Vorsicht vermieden und die Eingehung unternehmerischer Wagnisse in vernünftigem Umfang gefördert werden. § 25 Abs 1a GmbHG lautet wie folgt:
Ein Geschäftsführer handelt jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Vorstände und Geschäftsführer, die nach diesem Grundsatz handeln, verhalten sich somit rechtmäßig. Konkret müssen bei Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung folgende vier Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Geschäftsleiter darf sich nicht von sachfremden Interessen leiten lassen.
- Die Entscheidung muss auf Grundlage angemessener Informationen getroffen werden.
- Die Entscheidung muss ex ante betrachtet offenkundig dem Wohl der juristischen Person dienen.
- Der Geschäftsleiter muss vernünftigerweise davon ausgehen, dass er zum Wohle der juristischen Person handelt. Dh er muss hinsichtlich der übrigen Kriterien gutgläubig sein.
Organmitglieder, die sich innerhalb der BJR bewegen, befinden sich im „Safe Harbor“; eine zivilrechtliche Haftung scheidet daher aus. Weiters bedeutet dies, dass solche Entscheidungen der Organmitglieder vertretbar und folglich nicht strafbar sind. Werden die Voraussetzungen der BJR hingegen nicht erfüllt, so muss nicht zwangsläufig ein Sorgfaltsverstoß vorliegen. Eine gewisse Indizwirkung wird aber gegeben sein, wenn zB aufgrund sachfremder Interesse gehandelt wurde. Daher wird die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Handlungen gesondert geprüft werden müssen.
Fazit
Auch wenn die BJR schon bisher in der Literatur rechtlich anerkannt war und auch von der Rechtsprechung weitgehend einheitlich angewendet wurde, so bringt ihre Kodifizierung trotzdem mehr Rechtssicherheit für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder. Sie bietet eine Orientierungshilfe bei der Fassung von Ermessensentscheidungen sowohl für den Bereich des Zivilrechts als auch für jenen des Strafrechts. Organmitgliedern ist daher anzuraten, sämtliche entscheidungsrelevanten Informationen zu dokumentieren und im Zweifel ein Gutachten eines unabhängigen Experten einzuholen. Auf diese Weise können sie im Streitfall den Nachweis führen, dass sie ihre Entscheidungen auf Basis angemessener Informationen getroffen haben und dementsprechend vernünftigerweise davon ausgehen konnten, zum Wohle des Unternehmens zu handeln.
DDr. Katharina Müller, TEP
Dr. Martin Melzer, TEP