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BVwG: Verspätete Ad-hoc-Veröffentlichung von geplanten Kapitalmaßnahmen

Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 3|2023

2. Oktober 2023

Anlass für das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG 12. 6. 2023, W204 2270937-1/17E) war mit geplanten Kapitalmaßnahmen (Pflichtwandelanleihe, Kapitalerhöhung und Platzierung eigener Aktien) eine klassische Fallgruppe von potenziellen Insiderinformationen. Typischerweise kommt es bei Kapitalmaßnahmen zu zahlreichen Zwischenschritten, bevor die Kapitalmaßnahme durchgeführt wird. Diese Zwischenschritte können, wie der EuGH im Jahr 2012 im Fall Geltl entschieden hat und später in der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) verankert wurde, Insiderinformationen sein. Die MAR nennt als ein Beispiel für solche Zwischenschritte “die Möglichkeit der Platzierung von Finanzinstrumenten”.

Die insiderrechtliche Beurteilung von Zwischenschritten ist in der Praxis aufgrund der Vielzahl an Unwägbarkeiten oftmals schwierig. So hat der VwGH etwa entschieden, dass in einer M&A-Transaktion bereits das Unterzeichnen eines Memorandum of Understanding (MoU) eine Insiderinformation sein kann. Das BVwG judizierte, dass ein Vorstandsbeschluss hinsichtlich einer Kapitalmaßnahme eine präzise Information iSd MAR sein kann. Im letztgenannten Fall lag laut BVwG zum Tatzeitpunkt eine klare Absicht vor, eine Kapitalerhöhung in gewissem Volumen vorzunehmen (Zwischenschritt) und es war die Kapitalerhöhung als Endereignis mehr als nur wahrscheinlich.

Gegenstand des jüngsten Erkenntnisses des BVwG war folgende Konstellation: Der Vorstand der Emittentin besprach die Transaktionsunterlage für geplante Kapitalmaßnahmen. Darin wurden eine 300 Mio €-Pflichtwandelanleihe und eine 200 Mio €-Kapitalerhöhung relativ konkret dargestellt. Zudem sah der der Transaktionsunterlage beigelegte Zeitplan eine möglichst schnelle Ausführung vor. Am gleichen Tag teilte der CFO der Emittentin dem zwischenzeitig mandatierten Rechtsvertreter, dem Head M&A und der Compliance-Beauftragten (in cc) den in der Vorstandssitzung vereinbarten Zeitplan per E-Mail mit. Darin war (i) “Aufsichtsratssitzung “zur Information über die geplanten Maßnahmen” (Einladung eine Woche später nach Vorstandsfreigabe), (ii) “Zustimmung des Aufsichtsrates zu einem Umlaufbeschluss über die konkrete Transaktion zu einem späteren Zeitpunkt kurz vor Launch der Transaktion” und (iii) “Ad-hoc-Veröffentlichung nach der Aufsichtsratssitzung” vermerkt.

Das BVwG sah hierin eine die Emittentin unmittelbar betreffende Insiderinformation mit der Konsequenz der Pflicht der Emittentin zur unverzüglichen Veröffentlichung dieser Insiderinformation (sog Ad-hoc-Meldung). Wie das BVwG-Erkenntnis zu bewerten ist, können Sie in meiner Anmerkung in der September-Ausgabe der Zeitschrift für Finanzmarktrecht vom Verlag LexisNexis (ZFR 2023, 465-467) lesen. Außerdem zeige ich in meiner Anmerkung auf, welche Alternative die Emittentin zur unverzüglichen Ad-hoc-Meldung wohl gehabt hätte, erläutere was das Erkenntnis für die Praxis bedeutet und zeige auf, was der EU Listing Act zukünftig diesbezüglich ändern könnte.

Dr. Sebastian Sieder

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