Einleitung
Die aktuellen Entwicklungen rund um die COVID-19 Pandemie stellen auch für die österreichischen Privatstiftungen eine Herausforderung dar. Vor allem der Stiftungsvorstand, als zentrales Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Stiftung, muss auf die Krise angemessen reagieren. Gemäß § 17 Abs 2 PSG hat der Stiftungsvorstand die Verpflichtung, seine Aufgaben sparsam und mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters zu erfüllen. Diese Bestimmung muss jeweils für den Einzelfall konkretisiert werden. Bei der Auslegung der gebotenen Sorgfalt ist insbesondere auf den Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen, die Bestimmungen der Stiftungserklärungen und die Tätigkeit der Stiftung Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig spielen die allgemeine Wirtschaftslage und das wirtschaftliche Umfeld sowie deren sorgfältige Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen eine Rolle für die Beurteilung, ob der Stiftungsvorstand mit der gebotenen Sorgfalt handelt.
Kapitalvermögen
Aus der aktuellen Wirtschaftslage kann sich in mehrerlei Hinsicht Handlungsbedarf für die Privatstiftung ergeben: Handelt es sich um eine Stiftung, deren Vermögen überwiegend in Kapitalvermögen veranlagt ist, hat der Stiftungsvorstand sich im Rahmen der Vermögensverwaltung rasch ein aktuelles Bild über den Status der Veranlagungen und die Auswirkungen der Krise auf das veranlagte Vermögen zu machen. Auf Grundlage dieser Information muss er sorgfältig prüfen, inwieweit Maßnahmen, wie etwa die Umschichtung der Veranlagungen oder auch die Erhöhung der Cash-Bestände der Stiftung, im Hinblick auf die Erfüllung des Stiftungszwecks und die Erhaltung des Vermögens erforderlich sind. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, zumindest monatlich mit den mit der Veranlagung beauftragten Vermögensverwaltern Kontakt aufzunehmen und Informationen zur Entwicklung der Portfolios einzuholen.
Unternehmensbeteiligungen
Besteht das Stiftungsvermögen auch aus Unternehmensbeteiligungen, so hat sich der Stiftungsvorstand im Rahmen seiner Möglichkeiten zu informieren, inwieweit COVID-19 auf die im Eigentum der Privatstiftung stehenden Unternehmen und deren Werthaltigkeit Einfluss hat. Der Stiftungsvorstand sollte sich auch einen Überblick über die Liquidität der jeweiligen Unternehmen verschaffen (wenn etwa Gewinnausschüttungen für das abgelaufene Geschäftsjahr anstehen).
Im Rahmen seiner Aufgaben ist der Stiftungsvorstand verpflichtet, binnen 5 Monaten ab Bilanzstichtag einen Jahresabschluss für die Stiftung aufzustellen. Zwar dient der Jahresabschluss bei der Stiftung mangels Veröffentlichungspflicht keinem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit; dennoch sind die Auswirkungen von COVID-19 hier zu beachten. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um ein wertbegründendes Ereignis nach dem Bilanzstichtag 31.12.2019, sodass die bilanziellen Auswirkungen im Jahresabschluss der Privatstiftung zum 31.12.2019 noch nicht zu berücksichtigen sind. Für Bilanzstichtage nach dem 31.12.2019 sind die Auswirkungen der Pandemie bereits als werterhellendes Ereignis anzusehen und somit im Jahresabschluss entsprechend zu berücksichtigen. COVID-19 kann aber auch zum Stichtag 31.12.2019 bereits Auswirkungen auf den Lagebericht der Privatstiftung haben. Es muss daher bereits im Lagebericht zum 31.12.2019 auf Risiken und Ungewissheiten infolge der Pandemie eingegangen werden, sofern sie mit einer negativen Auswirkung auf die Privatstiftung verbunden sind. Auf die Konsequenzen der Krise im Hinblick auf die Erfüllung des Stiftungszwecks sowie die künftige Entwicklung der Stiftung und des Stiftungsvermögens ist im Lagebericht allenfalls hinzuweisen. Konkret können beispielsweise je nach Lage der Stiftung folgende Klauseln aufgenommen werden:
„Die voraussichtliche Entwicklung des Kapitalvermögens der Stiftung hängt von der Auswirkung der COVID-19 Pandemie ab, welche aus heutiger Sicht nicht eingeschätzt werden kann. Die Werthaltigkeit der Beteiligungen ist trotz der COVID-19 Pandemie zum heutigen Tag jedenfalls gegeben.“
Handlungsbedarf für den Stiftungsvorstand kann sich ergeben, wenn Unternehmen, an denen die Stiftung beteiligt ist, infolge der Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Ist in der Stiftungserklärung als Stiftungszweck auch die Sicherung des Bestands von Unternehmen vorgesehen, so kann sich eine Verpflichtung des Stiftungsvorstands ergeben, als Eigentümervertreter liquide Mittel zur Verfügung zu stellen. In welcher Form dies geschieht hängt ua von den konkreten Formulierungen der Stiftungserklärung ab.
Der Stiftungsvorstand sollte weiters die Werthaltigkeit von Beteiligungen laufend überprüfen und durch ein entsprechendes Informations- und Kontrollsystem sicherstellen, dass negative Tendenzen rechtzeitig erkannt und allenfalls gegengesteuert werden kann.
Immobilienvermögen
Auch hier bedarf es einer Überprüfung der Werthaltigkeit der Immobilien, insbesondere ob und in welchem Ausmaß die laufenden Erträge aus Vermietung und Verpachtung allenfalls von der Krise betroffen sind. Gerade bei Immobilienstiftungen kann der Einbruch der Mieterträge Auswirkungen auf die Liquidität der Stiftung haben.
Zuwendungen
Im Zusammenhang mit einem Versorgungszweck der Stiftung sollte der Vorstand die Situation der Begünstigten überprüfen, um auszuloten, inwieweit infolge der Krise Bedarf an (außerordentlicher) Unterstützung durch Zuwendungen gegeben ist. Sofern laut Stiftungserklärung Zuwendungen nur aus dem Jahresüberschuss zulässig sind, ist allenfalls mit den Änderungsberechtigten (sofern noch Änderungsberechtigte gegeben sind) zu erörtern, ob dieses Gebot in der Stiftungserklärung durch eine Regelung ersetzt werden soll, wonach in Notsituationen auch Zuwendungen aus der Substanz des Stiftungsvermögens erfolgen können. Dies kann insbesondere auch im Hinblick auf die derzeitige Situation auf den Kapitalmärkten wesentlich sein. Es empfiehlt sich auch, den Kontakt mit der Stifterfamilie und den Begünstigten zu suchen (zB durch Einberufung einer Beiratssitzung), um allenfalls drohende Liquiditätsengpässe oder auch geplante Maßnahmen zur Stützung von Unternehmensbeteiligungen rechtzeitig zu erörtern.
Empfehlung
Die aktuelle COVID-19 Krise muss in jeder Privatstiftung in Hinblick auf ihre konkreten Auswirkungen sorgfältig bewertet werden. Es empfiehlt sich daher zunächst, eine Stiftungsvorstandssitzung einzuberufen und allenfalls erforderliche Maßnahmen zu beschließen. Die Beschlussfassung und die zugrunde gelegte Information sollte sorgfältig dokumentiert werden (Stichwort: Business Judgement Rule). Gerne unterstützen wir den Stiftungsvorstand bei der Beurteilung erforderlicher Maßnahmen im Rahmen der COVID-19 Krise, bei der Analyse der Stiftungserklärung insbesondere in Hinblick auf Anpassungsbedarf (siehe dazu unseren Newsletter Privatstiftungen Issue 3|2020) oder bei der Erarbeitung von Zuwendungsbeschlüssen oder -vorschlägen in der aktuellen Krisensituation.
DDR. KATHARINA MÜLLER, TEP / DR. MARTIN MELZER, LL.M.