1. Einleitung
Die Privatstiftung ist ein wichtiges Instrument zur Organisation von (Familien-) Unternehmen. Statistisch äußert sich dies wie folgt: Mit Stand Jänner 2010 waren 1602 Privatstiftungen als Mehrheitsgesellschaft oder Mehrheitsaktionäre von Kapitalgesellschaften tätig. Davon hielten 1064 Privatstiftungen eine Tochtergesellschaft, 490 Privatstiftungen 2-4 Tochtergesellschaften und 48 Privatstiftungen mehr als 5. Die aktive Beteiligungsverwaltung ist schon allein aufgrund dieser Zahlen wohl in vielen der Privatstiftungen eine der Hauptaufgaben des Stiftungsvorstandes.
Obwohl die Privatstiftung häufig als langfristig strategischer Gesellschafter fungiert, kann es auch hier zu Situationen kommen, in welchen ein Verkauf der Beteiligung angedacht werden sollte bzw sogar erforderlich ist, insbesondere wenn die Werthaltigkeit nicht mehr gegeben ist.
Eine solche Situation könnte auch Folge der Covid-19 Pandemie und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise sein, die unter Umständen langfristige Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung diverser Branchen hat. Im folgenden Beitrag soll kurz dargestellt werden, was die stiftungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Unternehmensverkauf sind und was der Stiftungsvorstand, als Fremdvermögensverwalter, beim Unternehmensverkauf zu beachten hat.
2. Beachtlichkeit der Vorgaben der Stiftungserklärung, insbesondere der Zweck- und Zuwendungsbestimmungen
In der Regel tritt die Privatstiftung als Kernaktionär bzw -gesellschafter von Familienunternehmen auf. Sie ist idR als strategischer Gesellschafter zu verstehen, der nicht nur mit Blick auf kurzfristige Gewinnoptimierung handelt, sondern langfristige Ziele verfolgt. Hierzu zählen insbesondere die nachhaltige Sicherung und Stabilisierung des Unternehmens inklusive dessen Wertsteigerung. Dieser langfristige Horizont spiegelt sich sehr oft in den Bestimmungen der Stiftungserklärung wider, konkret in den Bestimmungen über den Stiftungszweck, die Beteiligungsverwaltung und über die Zuwendungsbestimmungen.
Viele Stifter normieren in der Stiftungserklärung sogar explizit den Erhalt des Familienunternehmens als Zweck der Stiftung. Flankiert wird dieser Erhaltungszweck oft von konkreten Regelungen über die Finanzierung und Unterstützung von Beteiligungsunternehmen. Die meisten Privatstiftungen, die auf einen solchen unbedingten Erhalt des Unternehmens ausgerichtet sind, haben darüber hinaus eher konservative Zuwendungsbestimmungen. Beispielsweise dürfen in solchen Stiftungen nur bestimmte Quoten des Jahresüberschusses an die Begünstigten zugewendet werden, damit stets ausreichende Mittel für die Finanzierung der Beteiligungsunternehmen in der Stiftung verbleiben.
Sind die Bestimmungen der Stiftungserklärung derart klar auf einen Erhalt des Beteiligungsunternehmens ausgelegt, ist der Verkauf der Beteiligung idR dann möglich, wenn zuvor die Stiftungserklärung in diesem Sinne geändert wird.
In einer Vielzahl von Privatstiftungen ist die Situation aber nicht so eindeutig. Oft findet sich etwa ein Nebeneinander von mehreren gleichrangigen Stiftungszwecken, etwa die Versorgung der Begünstigten und der Vermögenserhalt. Oft ist auch nicht vom Erhalt eines konkreten Vermögens die Rede, sondern eben nur vom Stiftungsvermögen. In einem solchen Fall würde der Verkaufserlös an Stelle des Beteiligungsunternehmens Teil des Stiftungsvermögens werden.
Im Einzelfall bedürfen daher Überlegungen zum Verkauf eines Beteiligungsunternehmens durch eine Stiftung einer detaillierten Vorabprüfung der Stiftungserklärung. Der Stiftungsvorstand muss sich in diesem Zusammenhang nicht nur die Frage stellen, ob er eine Beteiligung verkaufen DARF, sondern unter Umständen, ob er sie mangels Werthaltigkeit verkaufen MUSS.
3. Mögliche Gründe für den Unternehmensverkauf
Freilich kann die Überlegung zum Verkauf eines Beteiligungsunternehmens eine Vielzahl von Gründen haben. In der Folge sollen beispielhaft einige mögliche Szenarien kurz aufgezählt werden:
- Der Versorgungszweck kann mangels Ertrags des Beteiligungsunternehmens nicht mehr erfüllt werden:
Gerade in Stiftungen, in denen der Versorgungszweck im Vordergrund steht, die Zuwendungen an die Begünstigten aber auf eine gewisse Quote des Jahresüberschusses beschränkt sind, kann eine wirtschaftlich schwierige Phase für das Beteiligungsunternehmen dazu führen, dass auch über einen längeren Zeitraum keine Zuwendungen mehr an die Begünstigten getätigt werden können. In diesem Fall bleibt dem Vorstand aufgrund seiner Bindung an den Stiftungszweck oft keine andere Möglichkeit, als das ertraglose Beteiligungsunternehmen zu verkaufen und den Erlös so anzulegen, dass Überschüsse in ausreichendem Ausmaß zur Erfüllung des Stiftungszwecks erwirtschaftet werden können.
- Langfristige negative Prognose:
Je nachdem, in welcher Branche das Beteiligungsunternehmen tätig ist, kann ein Ereignis wie die Covid-19 Pandemie dazu führen, dass für das Unternehmen mittel- bis langfristig eine negative Prognose zu stellen ist. Auch in einem solchen Fall gilt es mehrere Faktoren, allen voraus aber die konkreten Bestimmungen der Stiftungserklärung, in die Entscheidung des Stiftungsvorstandes mit einfließen zu lassen.
- Gute Rahmenbedingungen für einen Verkauf:
Es kann aber auch – im Gegensatz zur vorher geschilderten Krisensituation – eine besonders gute Rahmenbedingung für den Verkauf des Beteiligungsunternehmens eintreten. Auch in diesem Fall hat der Stiftungsvorstand genau zu prüfen, ob und allenfalls wie ein Verkauf geplant und durchgeführt werden kann.
4. Haftung und Sorgfalt beim Unternehmensverkauf
Im Gegensatz zu einem Gesellschafter, der eine natürliche Person ist, fungiert der Stiftungsvorstand als Fremdvermögensverwalter und muss daher den Stiftungszweck als Richtschnur seines Handelns heranziehen. Alle Entscheidungen sind daher an den Bestimmungen der Stiftungserklärung und dem daraus abzuleitenden Stiftungszweck auszurichten. Er ist daher auch beim Verkaufsprozess am Sorgfaltsmaßstab des sorgfältigen Geschäftsleiters zu messen. Besondere Bedeutung wird im Rahmen eines Unternehmensverkaufes der sogenannten Business Judgement Rule zukommen. Sie schafft einen haftungsfreien Rahmen bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen (sogenannter Safe Harbour). Hält sich der Stiftungsvorstand an die Vorgaben der Business Judgement Rule, so befindet er sich im haftungsfreien Raum. Das wichtigste Tatbestandsmerkmal der Business Judgement Rule ist, dass der Stiftungsvorstand auf Grundlage angemessener Information handelt. Dies bedeutet, dass er sowohl die Informationsgrundlagen, die zu den Verkaufsüberlegungen führten, als auch jene des Verkaufsprozesses und der konkreten Abwicklung entsprechend aufbereiten, prüfen und dokumentieren muss.
5. Fazit
Die aktuelle Krisensituation mit ihren vielfältigen und zum Teil wohl auch langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen, könnte für einige Stiftungen der Anlass zum Verkauf ihrer Beteiligungsunternehmen sein. Die Entscheidung über den Verkauf eines Beteiligungsunternehmens bedarf sorgfältiger Prüfung und Begründung. Dasselbe gilt allenfalls auch für die Entscheidung, ein Unternehmen trotz wirtschaftlicher Turbulenzen nicht zu verkaufen, sondern zu behalten und finanziell zu stützen. Beides muss durch die Stiftungserklärung gedeckt sein.
Voraussetzung für solche Überlegungen ist daher immer eine sorgfältige Prüfung und allenfalls Anpassung der Stiftungserklärung. Weiters birgt der Verkaufsprozess für den Stiftungsvorstand aufgrund seiner Stellung als Fremdvermögensverwalter und den daraus resultierenden erhöhten Sorgfaltspflichten haftungsrechtliche Risken, die es zu beachten gilt. Mit einer entsprechenden Beratung, Informationsbeschaffung, Informationsaufbereitung und Dokumentation können hierbei die haftungsbefreienden Wirkungen der Business Judgement Rule in Anspruch genommen werden.
DDR. KATHARINA MÜLLER, TEP / DR. MARTIN MELZER, LL.M.