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Newsletter Kapitalmarkt- und Bankrecht, FinTechs Issue 3|2022

Die europäische grüne Anleihe: Mehr als ein weiteres Label zur Verhinderung von Greenwashing?

1. April 2022

Grüne Anleihen, häufig auch „Green Bonds“ bezeichnet, sind ein mittlerweile gut verbreitetes Finanzierungsinstrument für Unternehmen, Banken und sogar Staaten. Es gibt zwar bereits Regelwerke verschiedener Organisationen für grüne Anleihen, gesetzgeberseitig kommt nun aber in Europa die erste Initiative so richtig in Gang: Es wird eine EU-Verordnung über europäische grüne Anleihen geben. Der diesbezügliche Kommissionsvorschlag liegt bereits vor. Nachfolgend beschreibe ich – ausgehend vom Status quo – was die neue EU-Verordnung voraussichtlich mit sich bringt.

Vorauszuschicken ist: Grüne Anleihen kann derzeit grundsätzlich jedes Unternehmen begeben, egal wie „schmutzig“ es bisher ist/war. Es handelt sich bei diesem Finanzierungsinstrument nämlich um ganz gewöhnliche Anleihen mit einer einzigen zusätzlichen Vorgabe: Der Erlös, den man aus der Begebung der Anleihe einwirbt, ist für grüne Tätigkeiten einzusetzen. Die zentrale Frage ist vor diesem Hintergrund natürlich, welche Erlösverwendung als „grün“ anerkannt wird; und zwecks Nachvollziehbarkeit und Kontrolle ist für Anleger natürlich wichtig, wie der Emittent über die Erlösverwendung zu berichten hat und wer ihn dabei überwacht.

Zum Status quo: Es gibt derzeit noch keine einheitliche Charakteristik dessen, was ein „Green Bond“ ist, auch wenn sich in der Praxis zwei Standards hervortun: Die Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA) und der Climate Bond Standard der Climate Bond Initiative. Ersterer kann wohl als vorherrschend bezeichnet werden, wahrscheinlich auch, weil er die weniger strengen Vorgaben enthält. Und da nähern wir uns nun der Frage, weshalb jetzt auch noch eine EU-Verordnung? Natürlich, um Greenwashing weiter zu erschweren. Geschaffen wird dazu eine Art neues Label, nämlich eben die „europäische grüne Anleihe“ bzw der „European green bond“, kurz „EuGB“. Emittenten dürfen ihre Anleihe (nur) EuGB bezeichnen, wenn sie die strengen Vorgaben der neuen Verordnung einhalten. Umgekehrt sagt die Verordnung freilich nicht, dass fortan jede grüne Anleihe europäischer Unternehmen ein EuGB sein muss. Emittenten könnten daher auch weiterhin unter den bestehenden Standards „gewöhnliche“ grüne Anleihen begeben.

Aber was sind nun die wesentlichen Vorgaben für Emittenten, die ihre künftigen grünen Anleihen EuGB nennen wollen? Hier ein erster Überblick:

Erlöse aus europäischen grünen Anleihen müssen vollumfänglich (ohne Abzug von Kosten!) für bestimmte Zwecke oder eine Kombination daraus verwendet werden. Namentlich für: (a) Anlagegüter (auch von Haushalten), bei denen es sich nicht um finanzielle Vermögenswerte handelt; (b) Investitionsausgaben, auch von Haushalten; (c) Betriebsausgaben, die weniger als drei Jahre von der Emission weg zurückliegen; (d) bestimmte finanzielle Vermögenswerte (damit sind im Wesentlichen Kreditvergaben oder Eigenkapitalinvestments des Emittenten genannt, die für einzelne der vorstehenden Zwecke gewährt/getätigt werden, was unter anderem für EuGB von Banken relevant ist). Für Staaten, die als Emittenten von EuGB auftreten, ist der Spielraum weiter. Diese können die Erlöse unter (grünen) Umständen etwa auch zur Gewährung von Subventionen oder Steuervergünstigungen verwenden. Und nicht zuletzt kann ein EuGB auch durch Emission eines neuen EuGB refinanziert werden.

Die vorstehend beschriebenen, grundsätzlich zulässigen Verwendungszwecke müssen sich natürlich auch auf „grüne Tätigkeiten“ beziehen. Der Verordnungsvorschlag verlangt hier entweder Taxonomie-konforme Wirtschaftstätigkeiten oder solche Wirtschaftstätigkeiten, die innerhalb eines in einem Taxonomiekonformitätsplan festgelegten (idR maximal fünfjährigen) Zeitraums der Taxonomie entsprechen werden. Detailvorgaben richten sich also (konsequenterweise) nach der berühmten Taxonomie-Verordnung (und der sie ergänzenden Rechtsakte). Die Taxonomie-Verordnung definiert Umweltziele, zu deren Verwirklichung eine Tätigkeit einen „wesentlichen Beitrag“ leisten muss. Gleichzeitig darf es durch die Aktivität nicht zu bestimmten erheblichen Beeinträchtigungen von (anderen) Umweltzielen kommen. Und nicht zuletzt sind sowohl ein festgelegter Mindestschutz (siehe Art 18) und zahlreiche technische Bewertungskriterien einzuhalten.

Die von der Taxonomie-Verordnung anerkannten Umweltziele sind: (a) Klimaschutz; (b) Anpassung an den Klimawandel; (c) nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen; (d) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft; (e) Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung; und (f) Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Für besonderes Aufsehen hat zuletzt die Absicht gesorgt, vorübergehend auch Atomenergie und Gas in die Taxonomie-VO einzubeziehen. Ein EuGB könnte also wohl auch begeben werden, um damit den Bau eines Atomkraftwerks zu finanzieren.

Während zur Frage nach „grüner Wirtschaftstätigkeit“ wie beschrieben im Wesentlichen auf die Taxonomie-Verordnung verwiesen wird, enthält der Kommissionsvorschlag selbst umfangreiche Vorgaben an Transparenz und externe Bewertung. Hier kann man zunächst im Wesentlichen drei verschiedene Offenlegungsvorgaben unterscheiden:

  1. Factsheet: Der Emittent hat vor der Emission ein Factsheet zum EuGB auszufüllen. Sodann ist es einer Vorabbewertung zu unterziehen und der (externe) Bewerter muss eine befürwortende Stellungnahme abgeben. Factsheets können sich allenfalls auch auf mehrere Anleihen beziehen. In letzterem Fall geht das Factsheet (dessen genaue inhaltliche Vorgaben noch nicht bekannt und in einem Anhang zur Verordnung geregelt sein werden) dann wohl wieder in Richtung der schon bekannten Green Bond-Frameworks.
  2. Jährliche Berichte zur Emissionserlösverwendung: Es ist jährlich über die Verwendung der Erlöse aus dem EuGB zu berichten (wobei für alle emittierten EuGB ein einziger Bericht erstellt werden kann). Durch diese Berichte ist nachzuweisen, dass alle Erlöse verordnungskonform verwendet wurden. Jener dieser jährlichen Berichte, der nach vollständiger Verwendung des gesamten Erlöses erstellt wird, ist (wie das Factsheet) von einem externen Bewerter zu prüfen.
  3. Wirkungsbericht: Nachdem der Emissionserlös vollständig verwendet wurde, ist mindestens einmal während der Laufzeit des EuGB ein Bericht darüber, welche Umweltauswirkungen durch die Verwendung der Erlöse erzielt wurden, zu erstellen. Details zum Inhalt sind noch nicht bekannt. Auch hier kann man einen Bericht allenfalls auch für mehrere Anleihen machen. Eine externe Prüfung ist, anders als für das Factsheet und die Erlösverwendungsberichte, nicht vorgeschrieben.

Die vorstehend beschriebenen Dokumente sind vom Emittenten auf seiner Website in einem separaten Abschnitt mit dem Titel „Europäische grüne Anleihen“ zumindest bis zur Fälligkeit des EuGB unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die FMA und die ESMA sind von der Veröffentlichung zu unterrichten.

Externe Bewerter von EuGB müssen sich vor Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der ESMA registrieren lassen und zahlreiche in der Verordnung enthaltene organisatorische Anforderungen einhalten. Eine Beaufsichtigung externer Bewerter durch eine Behörde wäre ein absolutes Novum bei grünen Anleihen und sollte einen Mindestqualitätsstandard garantieren, zumal es neben organisatorischen Anforderungen auch Fit & Proper-Vorgaben für die Geschäftsleiter des Bewertungsunternehmens geben soll.

EuGB müssen übrigens nicht unbedingt „gewöhnliche“ Anleihen sein. Auch gedeckte Schuldverschreibungen wie etwa Pfandbriefe wird man unter dem neuen Rechtsrahmen emittieren können. Das wäre dann sozusagen der „europäische grüne Pfandbrief“. In Österreich tritt übrigens in Kürze das neue Pfandbriefgesetz in Kraft, an welchem unserer Wahrnehmung nach ein reges Interesse besteht.

Um eine EuGB begeben zu können, muss man zudem nicht unbedingt ein europäisches Unternehmen sein. Das Label steht auch Unternehmen aus Drittländern zur Verfügung die bereit sind, die Spielregeln der neuen Verordnung einzuhalten. Ob dies und der neue Rechtsrahmen insgesamt ein wesentlicher Beitrag dazu sein werden, das Ziel der EU, führender Finanzplatz für grüne Finanzierungen zu werden, zu erreichen, bleibt freilich abzuwarten.

Auch der weitere Fahrplan ist leider nicht restlos klar. Der Vorschlag der Kommission muss nämlich noch durch das (recht aufwendige) europäische Gesetzgebungsverfahren. Die Kommission rechnet damit, dass erste Unternehmen 2023 EuGB emittieren könnten. Wir halten Sie über den weiteren Hergang natürlich auf dem Laufenden.

Mag. Gernot Wilfling

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