Dank dem einen oder anderen Skandal ist der Aufsichtsrat als wichtigstes Kontrollgremium in der Aktiengesellschaft wieder vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Regelmäßig wird die Frage nach der persönlichen Verantwortlichkeit der einzelnen Mitglieder gestellt. Besondere Kritik an der Zusammensetzung wurde zuletzt gerade um eine regionale Pleitebank laut. Aber welche Vorgaben gibt es eigentlich für die Besetzung des Aufsichtsrats?
Es beginnt ganz banal dabei, dass das Gesetz drei bis zwanzig Mitglieder vorschreibt (sogenannte „Kapitalvertreter“; unter Umständen kann noch ein Drittel Arbeitnehmervertreter dazukommen). Die Höchstzahl hier auszuschöpfen ist nicht ratsam, werden allzu große Gremien doch in aller Regel unbeweglich. Für börsenotierte Gesellschaften ist wohl auch deswegen als „Soll-Bestimmung“ eine Höchstzahl von zehn Kapitalvertretern vorgesehen.
Aufsichtsratsmitglied kann nicht werden, wer bereits in zehn Aufsichtsräten vertreten ist (bei börsenotierten AGs auf acht reduziert; Vorsitze zählen jeweils doppelt). Mitglied des Aufsichtsrats kann weiters nicht sein, wer Vorstandsmitglied oder gesetzlicher Vertreter einer Tochtergesellschaft ist. Selbes gilt für Personen, die gesetzliche Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft sind, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der AG angehört (Verbot der Überkreuzverflechtung, um das „gegenseitige Überwachen“ zu vermeiden).
Bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist auf die fachliche und persönliche Qualifikation der Mitglieder sowie auf eine im Hinblick auf die Struktur und das Geschäftsfeld der AG fachlich ausgewogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu achten. Weiters sind Aspekte der Diversität des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Vertretung beider Geschlechter und die Altersstruktur sowie im Hinblick auf die Internationalität der Mitglieder angemessen zu berücksichtigen. Relevant ist diese gesetzliche Vorgabe (auch wenn ihr krass widersprechende Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung eventuell anfechtbar sind) primär für den Aufsichtsrat, der sie bei seinen Wahlvorschlägen zu beachten hat. Im Detail gilt zudem Folgendes:
- Der Aufsichtsrat als Kollegium muss über die iZm der konkreten Gesellschaft erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (etwa auch Branchenkenntnisse) verfügen. Es muss aber nicht zwingend jedes Mitglied bereits vor der erstmaligen Wahl Branchenkenntnis haben.
- Betriebswirtschaftliches Grundwissen in Bezug auf die Steuerung und Überwachung von Arbeitsprozessen und das Funktionieren von Marktmechanismen muss jedes einzelne Mitglied mitbringen.
- Ebenso muss jedes Aufsichtsratsmitglied in der Lage sein, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erfassen.
- Die Grundaussagen einer Bilanz insoweit zu verstehen, um den bilanzrechtlichen Ermessensspielraum des Vorstands beurteilen zu können, soll ebenfalls bei jedem einzelnen Mitglied Voraussetzung sein.
- Jeder Aufsichtsrat muss auch ausreichend Zeit haben, was gegen die Bestellung von Personen spricht, die schon viele Ämter auf sich vereinen (die eingangs erwähnten Höchstgrenzen für Mandatskumulierung sind nur absolute Höchstgrenzen; je nach sonstiger Auslastung wird es etwa auch bei einer geringeren Anzahl an Aufsichtsratsmandanten schon geboten sein, weitere Kontrollfunktionen abzulehnen).
- Der Aufsichtsratsvorsitzende muss Führungsqualitäten, Koordinations- und Entscheidungskompetenzen haben sowie kommunikationsfähig sein.
- Ausschussmitglieder müssen die jeweils notwendigen Spezialkenntnisse haben (es muss aber etwa nicht jedes einzelne Mitglied des Prüfungsausschusses Finanzexperte oder des Personalausschusses Vergütungsexperte sein).
- Eine allgemeine Geschlechterquote gibt es nicht, für bestimmte börsenotierte Aktiengesellschaften gilt jedoch eine 30%-Mindestrepräsentanz jeden Geschlechts.
Besondere Anforderungen ergeben sich an den Aufsichtsrat von regulierten Rechtsträgern. Nachdem ich selbst Aufsichtsratsvorsitzender einer Wertpapierfirma bin, werde ich mich im nächsten Newsletter gemeinsam mit meiner Kollegin Stefanie Ringhofer mit den Aufgaben des Aufsichtsrats in eben einem solchen regulierten Rechtsträger vertieft auseinandersetzen.
Mag. Gernot Wilfling