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Die Rolle der Bauaufsicht bei Mängeln

Bau & Immobilienreport Sondernummer 02 2024

26. November 2024

Gilt der Einwand, Mängel wären bei Aufmerksamkeit der ÖBA verhindert worden?

Sachverhalt

Im Anlassfall beauftragte der Beklagte ein Unternehmen mit Abdichtungsarbeiten unter Anwendung der ÖNORM B 2110. Das Angebot umfasste ua eine Wärmedämmung am Boden eines Laubengangs. Diese Leistung war auch im Plan vorgesehen, wurde aber von der örtlichen Bauaufsicht (ÖBA) nicht abgerufen. Das klagende Unternehmen hat die Leistung nicht ausgeführt und auch nicht in Rechnung gestellt. In einem Warnschreiben wies das Unternehmen vorab auf das nicht der ÖNORM entsprechende Gefälle hin und der damit einhergehenden Gefahr von Folgeschäden. Daher teilte das Unternehmen im Warnschreiben mit, dass es die Arbeiten nur auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn ausführt. Die Notwendigkeit und Einbausituation waren für die am Bodenaufbau des Laubengangs beteiligten Professionisten erkennbar.

Das Unternehmen forderte nach Fertigstellung seiner Arbeiten den Beklagten zur Übernahme innerhalb von 30 Tagen auf. Der Beklagte reagierte nicht.

Der Beklagte zahlte den Werklohn nicht, mit dem Argument die Arbeiten seien nicht fertiggestellt und der Werklohn daher noch nicht fällig.

Entscheidung – OGH 8 Ob 114/23g

Der OGH entschied zu Gunsten des Unternehmens. Er stellte zunächst klar, dass die Beurteilung, ob ein Mangel eines Werks offensichtlich ist, nicht mit dem tatsächlichen Erkennen des Werkbestellers gleichzusetzen ist. Würde es auf die subjektive Wahrnehmung ankommen, wäre die strenge Kontroll- und Rügepflicht der ÖNORM B 2110 obsolet. Dann könnten aus Unachtsamkeit übersehene Mängel jederzeit nachträglich geltend gemacht werden.

Die fehlende Wärmedämmung wurde vom Beklagten unstrittig nicht gerügt. Ihr Fehlen war aber für die ÖBA im Zuge des Bauablaufs erkennbar, denn sie hätte dem Unternehmen mitteilen müssen, wann es mit den Dämmarbeiten beginnen kann bzw hätte sie sich vom Abschluss der Arbeiten überzeugen müssen. Auch bei Überprüfung der Schlussrechnung hätte auffallen müssen, dass die Dämmung unterblieben ist.

Die ÖBA handelt ausschließlich im Interesse ihres Auftraggebers. Professionisten können bei mangelhafter Leistungserbringung daher nicht einwenden, diese wäre bei gehöriger Aufmerksamkeit der Bauaufsicht verhindert worden. Der Beklagte machte gegenüber dem Unternehmen die ÖBA als „Bauherrenvertreter“ namhaft. Tatsachen die der ÖBA als Vertreterin zur Kenntnis gelangen, muss sich der Beklagte daher wie sein eigenes Wissen zurechnen lassen.

Der OGH entkräftet in der Entscheidung auch die Argumentation, eine Rüge wäre mangels Übernahme gar nicht möglich gewesen. Mit ungenutztem Verstreichen der Frist gilt die Übernahme nach ÖNORM B2110 selbst dann als erfolgt, wenn schwerwiegende Mängel vorliegen, die den Werkbesteller zur Übernahmeverweigerung berechtigen würden. Mängel sind bei der Übernahme zu substantiieren, ansonsten ist die Ablehnung der Übernahme wirkungslos und gilt als vollzogen. Der Beklagte muss daher die Übernahmefiktion der ÖNORM B 2110 gegen sich gelten lassen.

Das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten scheitert an der fristgerechten Rüge der fehlenden Wärmedämmung und dem daraus abzuleitenden schlüssigen Verzicht.

Fazit

Die Entscheidung des OGH verdeutlicht, dass die Beurteilung, ob ein Mangel offenkundig ist oder nicht, schwieriger sein kann, als es vermuten lässt. Die Kontroll- und Rügepflicht der ÖNORM B 2110 ist weitreichend. Auch Mängel, die zur Verweigerung der Übernahme berechtigen, sind fristgerecht zu rügen. Die Entscheidung zeigt auch wie entscheidend die Rolle der ÖBA ist. Ihr Fehlverhalten kann sich nicht nur auf den Bauablauf negativ auswirken, sondern die Geltendmachung von Leistungsverweigerungsrechten durch den Bauherrn gefährden.

Christoph Gaar

Artikel erschienen in der Österreichischen Bauzeitung 7 2024 hier zum download