OGH 27.11.2019, 5 Ob 157/19b
Der OGH hatte zu prüfen, ob ein villenartiges Gebäude den Tatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG, wonach das Mietrechtsgesetz (MRG) nicht auf „Ein- und Zweiobjekthäuser“ anwendbar ist, erfülle.
Das Gebäude besteht aus einem Souterrain, dem Parterre und einem Obergeschoß. Der Antragsteller war von 2012 bis 2017 Mieter der Wohnung im Parterre im Ausmaß von ca. 190 m2. Die Erstantragsgegnerin bewohnt selbst die Wohnung im ersten Stock, die in etwa die gleiche Größe aufweist. Das Souterrain besteht aus drei Raumgruppen. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses wurden zwei dieser Räume zur Lagerung alter Möbel verwendet, wovon einer ausschließlich vom Antragsteller prekaristisch genutzt wurde, der zweite von diesem gemeinsam mit der Erstantragsgegnerin. Die Räume im Souterrain weisen eine erhebliche Mauerfeuchte auf. Um die Mauerfeuchte zu beseitigen und diese Räume adäquat bewohnbar zu machen, würden Kosten in Höhe von ca. 100.000 Euro anfallen.
Der Antragsteller begehrte die Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses sowie das Ausmaß von dessen Überschreitung durch die tatsächlichen Vorschreibungen. Er behauptete, das Mietverhältnis falle in den Vollanwendungsbereich des MRG, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags auf der Liegenschaft sechs vermietbare Objekte vorhanden gewesen seien. In den von ihm gemieteten Räumlichkeiten im Parterre und den von der Erstantragsgegnerin im ersten Stock genutzten Räumlichkeiten seien jeweils zwei Wohnungen enthalten. Im Souterrain würden sich ebenfalls zwei Wohnungen befinden. Diese Objekte könnten nicht nur als Wohnungen, sondern auch als Geschäftsräumlichkeiten vermietet werden.
In seiner rechtlichen Beurteilung hob der OGH hervor, dass bei der Beurteilung der Anzahl der Objekte in einem Gebäude, die selbständige Vermietbarkeit getrennt zugänglicher Räume ausschlaggebend ist, soweit es sich dabei nicht um üblicherweise vorhandene Nebenräume handelt. Darüber hinaus dürfen nach allgemeiner Auffassung neben zwei selbständigen Wohnungen (oder Geschäftsräumlichkeiten) überhaupt keine der Vermietung zugänglichen – oder sogar tatsächlich vermietete – Räume im Haus vorhanden sein. Dabei ist auf den objektiven baulichen Zustand im Zeitpunkt der Vermietung nach Maßgabe der Verkehrsauffassung abzustellen. Auf die tatsächliche Benützung bzw Widmung durch den Vermieter kommt es hingegen nicht an. In gegenständlichem Fall wurden im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zwei der Räume im Souterrain zur Lagerung alter Möbel verwendet. Bereits daraus folgt aber die grundsätzliche Eignung dieser Räume zu Lagerzwecken, sodass aus der festgestellten Mauerfeuchtigkeit keineswegs auf eine endgültige Unvermietbarkeit zu derartigen Zwecken geschlossen werden kann. Somit handelt es sich bei gegenständlicher Villa um ein Gebäude, das dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt.
Diese Entscheidung des 5. Senats wird wohl erhebliche Auswirkungen auf zahlreiche vermeintliche „Zweiobjekthäuser“ haben. Was auf der einen Seite für die Mieter ein Grund zur Freude ist, löst auf der anderen Seite voraussichtlich bei vielen Vermietern Unbehagen aus. Zum einen drohen nun vermutlich Mietzinsüberprüfungen und zum anderen wurde klargestellt, dass Mietobjekte in derartigen Gebäuden dem Kündigungsschutz des MRG unterliegen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass auch zahlreiche Klauseln, die im Vertrauen auf die Vollausnahme vom MRG in Mietverträge aufgenommen wurden, ihrer Wirksamkeit beraubt wurden.
Mag. Gabriel Eder