Der Oberste Gerichtshof hat sich kürzlich (OGH 15.05.2019, 9 Ob 21/19g) mit der Zulässigkeit des mietvertraglich vereinbarten Kündigungsgrunds der Nichtaufgabe einer Wohnung bei einer Genossenschaftswohnung auseinandergesetzt:
Im zu beurteilenden Fall wurde zwischen einer gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft und dem Beklagten, einem Opernsänger, vereinbart, innerhalb von sechs Monaten ab Vertragsbeginn bestehende Miet- oder sonstige Rechte an einer anderen Wohnung nachweislich aufzugeben und auf Verlangen der Genossenschaft entsprechende Urkunden, wie Kündigungsschreiben oder Aufhebungsvereinbarungen, vorzulegen. Ein Verstoß gegen diese vertraglichen Verpflichtungen wurde ausdrücklich als wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 Mietrechtsgesetz (MRG) vereinbart.
Der Beklagte war zur Zeit des Vertragsschlusses und im Beurteilungszeitpunkt gemeinsam mit seiner Frau Mitmieter einer im selben Wiener Bezirk gelegenen Wohnung. Es wurde festgestellt, dass der Beklagte etwa zwei Drittel der Zeit in der Genossenschaftswohnung zu Wohnzwecken verbringt und er in der zu Wohnzwecken von seiner Frau benützten Mietwohnung Proberäume und einen „Home-Office-Bereich“ hat.
Der Vermieter kann grundsätzlich nur aus wichtigen Gründen einen Mietvertrag kündigen. Ein wichtiger Grund liegt gemäß bereits zitiertem § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 13 MRG dann vor, wenn ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in Bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter als wichtig und bedeutsam anzusehen ist.
Das Berufungsgericht erklärte die gerichtliche Aufkündigung der Genossenschaftswohnung für rechtswirksam. Der Oberste Gerichtshof wies die ordentliche Revision des Beklagten zurück. Dazu erwog er Nachfolgendes:
Wer eine geförderte Wohnung nicht als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung bezieht, ist gesetzlich verpflichtet, seine Rechte an einer bisher zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendeten Wohnung binnen sechs Monaten nach Bezug der geförderten Wohnung aufzugeben. Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 Wohnbauförderungsgesetz (WFG) liegt ein wichtiger Kündigungsgrund eines geförderten Mietverhältnisses vor, wenn der Mieter seine zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendete Wohnung nicht aufgegeben hat. Die im gegenständlichen Fall zu beurteilende Klausel lehnt an diese Bestimmung an.
Nach dem Höchstgericht sind keine Gründe erkennbar, warum der vereinbarte Kündigungsgrund nicht objektiv wichtig und bedeutsam ist. Die Bestimmung ist auch nicht intransparent oder gröblich benachteiligend. Hinsichtlich „sonstiger Rechte“ kann die Klausel redlicherweise nur so verstanden werden, dass sonstige Wohnungsgebrauchsrechte gemeint sind. Im Individualprozess ist die Auslegung nicht im kundenfeindlichsten Sinn vorzunehmen, sondern es ist der Parteiwille nach den Grundsätzen der allgemeinzivilrechtlichen Unklarheitenregeln zu ermitteln. Der Anknüpfungspunkt des Kündigungsrechts des Vermieters sei nach objektiven Kriterien in der Klausel hinreichend angedeutet.
Im vorliegenden Fall knüpfe der vereinbarte Kündigungsgrund nicht an einer Aufgabe eines anderen Hauptwohnsitzes an, sondern explizit an die Aufgabe Miet- oder sonstige Rechte an einer anderen Wohnung. Nach der vertraglichen Bestimmung kommt es somit nicht auf die tatsächliche Nutzung an. Es ist folglich irrelevant, ob der Beklagte in der aufgekündigten Wohnung seinen Hauptwohnsitz hat und, ob es sie zu Wohnzwecken oder als Proberaum und „Home-Office“ verwendet.
Die Frage, ob bloße Mitmieterrechte an der anderen Wohnung etwas an der zu beurteilenden Erfüllung des Kündigungsgrundes zu ändern vermag, behandelt der Beklagte in seiner Revision nicht.
Mag. Anna Schimmer