Das österreichische Recht sieht für die Erstellung einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung verschiedene Formvorschriften vor, welche im § 579 ABGB geregelt sind. Die Formvorschriften sind zwingend einzuhalten. Wenn sie nicht eingehalten werden, ist die letztwillige Verfügung ungültig, und zwar auch dann, wenn die formungültige letztwillige Verfügung inhaltlich dem Willen des Verstorbenen entspricht. Mit dem ErbRÄG 2015, das am 01.01.2017 in Kraft getreten ist, wurden die Formvorschriften für letztwillige Verfügungen wesentlich geändert. Letztwillige Verfügungen, die auf Grundlage der alten Rechtsvorschrift der §§ 577 ff ABGB errichtet wurden, behalten im Hinblick auf ihre Form ihre Gültigkeit. Mit der Verschärfung der Formerfordernisse wollte der Gesetzgeber einerseits die Fälschungssicherheit erhöhen, andererseits dem Schutz vor Übereilung und dem erhöhten Bewusstsein des Testierenden dienen.
Eine Änderung, die mit dem ErbRÄG 2015 erfolgte, betrifft den Zeugenzusatz. Nach aktueller Rechtslage muss der Zeugenzusatz handschriftlich beigesetzt werden. Nach alter Rechtslage war dies nicht erforderlich. Er konnte auch fremdhändig zB mit Schreibmaschine oder von einem Dritten, geschrieben werden. Der OGH hatte sich in 2 Ob 3/23i mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Testament aufgrund eines Schreibfehlers im Zeugenzusatz, welches nach alter Rechtslage aufgesetzt wurde, ungültig ist.
2. OGH vom 21.02.2023, 2 Ob 3/23i
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2008 wurde ein Rechtsanwalt mit der Errichtung eines fremdhändigen Testaments, in dem unter anderem die Mutter des Klägers zur Alleinerbin eingesetzt wurde, beauftragt. Nach Unterfertigung durch den Verstorbenen unterfertigten die Zeugen jeweils über einem maschinell vorgedruckten Zusatz, der lautete wie folgt: „als ersuchte Testamentserben“. Im Verlassenschaftsverfahren wurde die Mutter des Klägers belehrt, dass das Testament ungültig sei. Darauf vertrauend gab sie keine Erbantrittserklärung ab. Nach ihrem Tod klagte ihr Sohn als ihr alleiniger Erbe den Rechtsanwalt auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten als Testamentserrichter. Hätte er ein formgültiges Testament errichtet, hätte seine Mutter die Erbschaft erlangt. Der Beklagte wandte ein, dass das Testament gültig sei, und es sich nur um einen bloßen Schreibfehler handle und die Zeugeneigenschaft dennoch eindeutig erkennbar sei.
Der OGH stellte dazu fest, dass es sich um ein formgültiges Testament handelt. Aufgrund des Errichtungszeitpunktes der letztwilligen Verfügung ist die Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 anzuwenden. Der Zeugenzusatz stellt ein zwingendes Gültigkeitserfordernis dar. Der Zweck der Formvorschrift liegt einerseits darin, eine Verwechslung mit der Unterschrift des Verstorbenen zu vermeiden, und es anderseits Testamentsfälschern zu erschweren, Personen Unterschriften herauszulocken, die sie als Zeugenunterschriften ausgeben könnten. Laut OGH ist die Verwendung des Wortes „Zeuge“ oder „Testamentszeuge“ nicht unbedingt erforderlich. Es ist nur eine textliche Ergänzung der Unterschrift um den Zusatz erforderlich. So wurde zB bereits der Zusatz: „Die tieferstehenden Mitunterzeichneten bestätigen, dass Herr N.N. (Verstorbene) diese Schrift als seinen letzten Willen ausdrücklich deklariert und vor ihnen unterzeichnet hat“ als ausreichender Zusatz angesehen. Ebenso wurde vom OGH sogar eine Textpassage im Testament als ein ausreichender, auf die Zeugeneigenschaft hinweisender Zusatz gedeutet, durch den unmissverständlich klargestellt wurde, dass die weiteren Unterschriften diejenigen der Zeugen sind. Da eine selbstständige textliche Ergänzung der Unterschriften vorliegt, ist der Zeugenzusatz gültig. Auch wird das Wort „ersucht“ typischerweise im Zusammenhang mit Testamentszeugen verwendet. Da die Unterschriebenen auch in der Verfügung selbst genannt wurden, ist zu erkennen, dass die weiteren Unterschriften die der Zeugen sind.
3. Fazit
Das gegenständliche Testament ist somit trotz der Bezeichnung der Zeugen als „ersuchte Testamentserben“ formgültig, da keine andere vernünftige Deutung möglich war. Durch die textliche Ergänzung wird eine Verwechslung mit der Unterschrift der Verstorbenen vermieden, das Zeugenbewusstsein dokumentiert und die Gefahr einer Herauslockung von Zeugenunterschriften erschwert. Nach der neuen Rechtslage wäre das Testament wohl formungültig gewesen. Die Entscheidung zeigt einmal mehr auf, dass bei der Errichtung eines Testaments auf die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften besondere Aufmerksamkeit zu legen ist. Gerne unterstützen wir Sie bei der Gestaltung und Errichtung Ihres Testaments.
DDr. Katharina Müller,TEP / Dr. Martin Melzer, LL.M.