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Newsletter Familienrecht Issue 1|2023

Leibrentenzahlungen fließen nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (OGH 7 Ob 84/22m)

31. März 2023

1. Einleitung

Die Verpflichtung zum wechselseitigen Unterhalt ist eine der bedeutendsten Folgen der Eheschließung. Bezieht nur einer der beiden Ehegatten ein Einkommen, hat der andere Gatte grundsätzlich Anspruch auf 33% des Nettoeinkommens des anderen. Verdienen beide Ehegatten, beträgt der Unterhaltsanspruch 40% des gemeinsamen Nettoeinkommens, wobei man sich den eigenen Verdienst abziehen lassen muss. Anders als beim Unterhaltsanspruch von Kindern gibt es beim Ehegattenunterhalt keinen Unterhaltsstopp. Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch für den nachehelichen Unterhalt nach einer Scheidung.

Welche Einkommensbestandteile aber genau in die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt miteinfließen, ist immer wieder Thema von höchstgerichtlichen Entscheidungen. In der Entscheidung 7 Ob 84/22m war fraglich, ob auch Leibrentenzahlungen in diese Bemessungsgrundlage einfließen. Worum es sich bei einer Leibrente handelt und wie das Höchstgericht in dem Fall entschieden hat, erfahren Sie in diesem Beitrag.

2. Leibrente

Unter einer Leibrente bzw. einem Leibrentenvertrag ist die Zusage einer einmaligen Leistung gegen Gewährung einer lebenslangen Rente zu verstehen: Als einmalige Leistung wird häufig eine Liegenschaft oder ein Unternehmen übergeben. Die Gegenleistung besteht in den laufenden, häufig monatlich vorgenommenen Zahlungen. Die Leibrente hat starke Berührungspunkte zum Glücksvertrag, denn es ist ungewiss, wie lange der Rentenempfänger leben wird. Auf Seiten des Rentenempfängers besteht das Risiko, ungewöhnlich früh zu sterben und deshalb „zu wenig“ als Gegenleistung zu erhalten. Der Rentenzahler wiederum ist dem Risiko ausgesetzt, dass der Rentenempfänger unter Umständen ungewöhnlich lange lebt und er deshalb „zu viel“ für die erhaltene Leistung zahlt.

3. OGH-Entscheidung (OGH 23.11.2022, 7 Ob 84/22m)

Die Parteien des Verfahrens sind seit langer Zeit verheiratet, leben allerdings einvernehmlich getrennt. Die Ehefrau forderte in Folge einen höheren Unterhalt ein, da sich laut Ehefrau die Einkommensverhältnisse des Ehegatten deutlich verbessert haben. Konkret ging es nämlich darum, dass der Ehegatte nunmehr eine monatliche Leibrente auf Lebenszeit bezieht, und zwar aufgrund des Verkaufs einer Liegenschaft. Nach Ansicht der Ehefrau seien diese Leibrenten bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen.

Der OGH hatte sich in der Vergangenheit bereits mit der Frage zu beschäftigen, ob der bei einem „normalen“ Liegenschaftsverkauf erzielte Kaufpreis als Einkommen für die Unterhaltsbemessung anzusetzen ist. Das hat der OGH verneint. Zum einen ist der Vermögensstamm an sich nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Kommt es zu einem Verkauf eines Vermögensteils, ist auch die dafür erhaltene Gegenleistung für die Unterhaltspflicht nicht zu berücksichtigen. Der Kaufpreis wird laut Höchstgericht als Gegenwert für die Sache geleistet und bewirkt somit lediglich eine Umschichtung der Vermögenssubstanz.

Unter Verweis auf diese Rechtsprechung sprach der OGH im vorliegenden Fall aus, dass auch bei einer Leibrentenvereinbarung die Gegenleistung (also die Leibrente) nicht als Einkommen im Sinne des Unterhaltsrechts anzusetzen ist, da sie wiederum nur eine Vermögensumschichtung darstellt. Allerdings weist der OGH auch darauf hin, dass die Leibrente dann (teilweise) einkommenserhöhend anzusetzen ist, wenn der Unterhaltsschuldner sie dazu verwendet, um die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken.

4. Fazit

Mit der Entscheidung 7 Ob 84/22m hat der OGH wichtige Grundsätze zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage bestätigt: Erträge aus der Veräußerung von Vermögen werden grundsätzlich nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Und zwar auch dann nicht, wenn sie in Form einer Leibrente vereinbart wurden. Erst dann, wenn der Unterhaltsschuldner diese Erträgnisse für seine Lebensführung verwendet, werden sie unterhaltsrelevant.

DDr. Katharina Müller,TEP / Dr. Martin Melzer, LL.M.

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