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Newsletter Immobilienrecht Issue 3|2020

Mietzinsbefreiung oder -minderung wegen COVID-19

23. März 2020

Auf Grundlage des am 15.03.2020 beschlossenen COVID-19-Maßnahmengesetz wurden bis heute ua folgende generell für Geschäftsraummieter relevante Verordnungen erlassen:

a. Verordnung über das Betretungsverbot des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben (BGBl. II 96/2020, bereits geändert mit BGBl. II 110/2020)

b. Verordnung betreffend das Betretungsverbot öffentlicher Orte (BGBl. II 98/2020, bereits geändert mit BGBl. 107/2020 und BGBl. 108/2020)

Aufgrund dieser seit 16.03.2020 geltenden Maßnahmen dürfen Kundenbereiche nicht mehr betreten werden, außer solche von bestimmten Betrieben wie zB Apotheken, Lebensmittelhandel, Drogerien, Tankstellen, Banken, Kfz-Werkstätten. Das Betreten von Gastbetrieben wurde im Wesentlichen zur Gänze untersagt. Schließlich dürfen öffentliche Orte nicht betreten werden, es sei denn dies erfolgt zu ausdrücklich erlaubten Zwecken, wie ua Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse oder auch wenn dies für berufliche Zwecke erforderlich ist (Arbeitsweg) und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Vorzugsweise soll eine berufliche Tätigkeit außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen. Diese Maßnahmen galten vorerst bis 22.03.2020 und wurden nun bis 13.04.2020 verlängert.

Viele zu Geschäftszwecken angemietete Räumlichkeiten werden daher gar nicht oder nur sehr eingeschränkt genutzt. Das Homeoffice hat viele Büroarbeitsplätze abgelöst.

Gesetzliche Grundlage: Gemäß § 1104 ABGB hat der Bestandnehmer keinen Bestandzins zu zahlen, wenn

  • die in Bestand genommene Sache wegen
  • außerordentlicher Zufälle, Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge oder wegen gänzlichen Misswachses
  • gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann.

Der Bestandgeber ist aber in diesen Fällen nicht zur Wiederherstellung verpflichtet.

Gemäß § 1105 ABGB wird dem Mieter ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen, wenn er trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes behält. Diese Bestimmungen können vertraglich abbedungen werden, was bisher üblicherweise nicht erfolgt ist.

Außerordentliche Zufälle iSd § 1104 ABGB sind nur solche elementaren Ereignisse, die stets einen größeren Personenkreis treffen und von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz erwartet werden kann. COVID-19 stellt zweifelsfrei so einen außerordentlichen Zufall dar.

Vielfach wurde daher bereits die Möglichkeit der Zinsbefreiung oder zumindest Zinsminderung für Mieter propagiert. Es gibt aber auch Argumente gegen eine Zinsminderung wie zB

  • §§ 1104, 1105 ABGB stellen auf den geschuldeten Gebrauchsnutzen des Bestandobjektes ab, also auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf eine generelle Branchenbeeinträchtigung wie aufgrund der von der Bundesregierung verhängten Maßnahmen;
  • die Bestimmungen §§ 1104, 1105 ABGB wollten den Bestandgeber entlasten, der nicht verpflichtet ist, das Bestandobjekt wiederherzustellen. Im gegenständlichen Fall kommt eine Wiederherstellung gar nicht in Frage, weil keine das konkrete Bestandobjekt (nämlich auch nicht die konkrete Lage des Objektes, die allenfalls als in die Sphäre des Bestandgebers fallende Eigenschaft beurteilt werden könnte) betreffende Beeinträchtigung vorliegt;
  • die bisherige Rechtsprechung hat bei außerhalb des Bestandobjektes eintretenden Umständen lediglich die den tatsächlichen Zugang hindernden Umstände als zinsbefreiend beurteilt; der tatsächliche Zugang ist aber nach wie vor gegeben;
  • die Bestimmungen zielen auf eine „Sachgefahr“ ab. Die „Sache“ ist aber aufgrund COVID-19 in keiner Weise gefährdet, anders als zB bei einem aufgrund einer Seuche gesperrten Gebäudes oder eines Stadtviertels;
  • auch ein Verkehrsunfall, den ein Bestandnehmer hat und deswegen ein Mietobjekt nicht nutzen kann, ist nach der Sphärentheorie von diesem zu vertreten.


Fazit

Jedenfalls kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, um Chancen einer Zinsminderung beurteilen zu können. Dort wo der Vermieter den Mietzweck konkretisiert und diese konkret vorgegebene Nutzung nunmehr verboten ist, wie zB bei Gaststätten, bestehen sehr gute Chancen, einen 100%-Mieterlass durchzusetzen. Bei einem Bürobetrieb, der dzt noch nicht verboten ist, aber bei dem die berufliche Tätigkeit außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll und durch Homeoffice bewerkstelligt werden kann, oder ein Unternehmen bei dem durch entsprechende Organisation des Betriebes der geforderte 1 Meter Abstand zwischen den Personen möglich ist, ist die Argumentation der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung schwerer. Ob und wenn ja, in welchem Umfang der Zinserlass gebührt, ist derzeit nicht mit Sicherheit zu beantworten. Es empfiehlt sich für jeden Mieter, der aufgrund der verordneten Maßnahmen seinen Betrieb in einem Mietobjekt einschränken muss, einen Zinserlass gegenüber dem Vermieter zu beanspruchen, wobei das konkrete Ausmaß wohl zu überlegen ist.

Sollten Grund und/oder Höhe der Zinsbefreiung strittig sein und der Bestandgeber wegen des aufgelaufenen Zinsrückstandes gekündigt haben, kann bei nach dem MRG kündigungsgeschützten Bestandobjekten eine gerichtliche Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 und 3 MRG verlangt werden, womit dem Bestandnehmer die Möglichkeit geboten wird, durch Nachentrichtung des als aushaftend festgestellten Zinses die Räumung abzuwenden. Ansonsten ist zur Vermeidung von allfälligen Kündigungsfolgen die Entrichtung des Mietzinses unter Vorbehalt der Zurückforderung zu empfehlen.

Dr. Manuela Maurer-Kollenz

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