Ein Rechtsanwalt wurde mit der treuhändischen Abwicklung einer Liegenschaftstransaktion betraut. Entgegen dem ihm unwiderruflich erteilten Treuhandauftrag, wonach er den Kaufpreis nach Vorliegen des Beschlusses des Grundbuchsgerichts bezüglich der Einverleibung des lastenfreien Eigentumsrechts an die Verkäufer auszahlen soll, hat er aufgrund einer Leistungsstörung im zugrundeliegenden Geschäft den Kaufpreis weder an die Verkäufer ausbezahlt, noch gerichtlich hinterlegt. Daraufhin kam es zu einem Verfahren wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes gegen den als Treuhänder auftretenden Rechtsanwalt.
Nach den erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen wurde dem Beschuldigten nach allseitiger Unterfertigung von Kaufvertrag und Treuhandvereinbarung ein geologisches Gutachten von der Käuferin übermittelt, wonach ein nicht unerheblicher Anteil des für das geplante Bauvorhaben auszuhebenden Bodenmaterials der kaufgegenständlichen Liegenschaft nicht der vertraglich bedungenen Bodenaushubqualität entspricht.
Allen Formen von Treuhandschaften ist gemein, dass der Treuhänder im Interesse des Treugebers und nicht im eigenen Interesse zu handeln verpflichtet ist. Die Treuhandschaft ist geprägt von Uneigennützigkeit und Vertrauenswürdigkeit bei der Wahrnehmung fremder Interessen.
Die von der Vorinstanz angewandte und von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, Treuhandaufträge seien jedenfalls buchstäblich genau zu erfüllen, wurde vom OGH, seiner ständigen Rechtsprechung folgend, nicht übernommen. Eine wort- und buchstabengetreue Erfüllung ist nur bei Treuhandschaften mit klaren Regelungen, nicht aber bei Konfliktfällen, denen es an solchen Bestimmungen mangelt, wie dem gegenständlichen, zwingend.
Ein Treuhänder kann bei unklarer Sach- und Rechtslage und einem daraus resultierenden Konflikt der Treugeber, von der Möglichkeit des gerichtlichen Erlags Gebrauch machen. Nach ständiger Rechtsprechung ist er aber nicht zur Hinterlegung verpflichtet.
Im gegenständlichen Fall wäre die Hinterlegung nicht im wirtschaftlichen Interesse der Treugeber gewesen; das Vorgehen des Treuhänders diente vielmehr dem Anstreben einer letzten Endes auch erfolgten gütlichen Einigung der Parteien des Kaufvertrags, was der Beschuldigte zutreffend hervorgehoben hat.
Das höchstgerichtliche Judikat verdeutlicht, dass auf das Grundgeschäft zugeschnittene Formulierungen sowie eine umfassende Regelung sämtlicher Eventualitäten, insbesondere im Falle von Leistungsstörungen, den geforderten Sorgfaltsmaßstäben bei der Erstellung von Treuhandvereinbarungen entsprechen. Dies mitumfasst die vorab Vereinbarung einer konkreten Verfahrensvorgabe, insbesondere im Falle von Leistungsstörungen, an die sich sowohl der Treuhänder als auch die Treugeber zu halten haben. Auch die Kostentragung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. So können im Nachhinein auftauchende Problemstellungen durch eine gewissenhafte Regelung der komplexen und problematischen Themenbereiche vorab entschärft werden.
Mag. Gabriel Eder / Mag. Anna Schimmer