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Newsletter Erbrecht und Vermögensnachfolge Issue 4|2021

OGH erteilt striktem Stichtagsprinzip bei Schenkungsanrechnung eine Absage

5. Mai 2021

1. Einleitung

Erneut musste sich der OGH mit einer praxisrelevanten Frage zur pflichtteilsrechtlichen Schenkungsanrechnung auseinandersetzen.

Der Entscheidung 2Ob124/20d lag folgende häufig anzutreffende Konstellation zugrunde: Die Eltern schenkten einem Kind die Liegenschaft, auf dem sich das elterliche Wohnhaus befindet, wobei zugunsten der Eltern ein lebenslanges Wohnrecht vereinbart wurde. Das andere Kind wurde auf den Pflichtteil herabgesetzt und ging zunächst leer aus, weil die bereits verschenkte Liegenschaft den einzigen relevanten Vermögenswert darstellte. Das übergangene Kind verlangte daher die schenkungsanrechnungsrechtliche Berücksichtigung des Liegenschaftswerts in der Verlassenschaft.

Knackpunkt der Entscheidung war, inwiefern das Wohnrecht der Eltern hier wertmindernd anzusetzen ist.

2. Die Entscheidung des OGH

Das Wohnrecht der Eltern stellt freilich eine Belastung des Beschenkten dar. Diese Belastung fällt aber mit dem Ableben der Eltern weg. Der OGH hatte daher zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die Liegenschaft zu bewerten ist.

Grundsätzlich kommen hier zwei Ansatzpunkte in Frage:

a) zum Zeitpunkt der Schenkung, dann würde sich die Belastung wertmindernd auswirken, oder

b) zum Zeitpunkt des Todesfalls, dann wäre die Belastung nicht mehr relevant.

Der OGH entschied diese Frage zugunsten der Variante b) und bewertete die Liegenschaft zum Todeszeitpunkt. Er begründet dies damit, dass der Zweck der pflichtteilsrechtlichen Schenkungsanrechnung darin liegt, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, als wäre die Sache noch in der Verlassenschaft.

3. Fazit

Die Entscheidung sorgt in einem weiteren umstrittenen Teilbereich der mit dem ErbRÄG 2015 novellierten pflichtteilsrechtlichen Schenkungsanrechnung für Rechtssicherheit. Unseres Erachtens ist das Ergebnis auch sachgerecht, wenngleich man die dogmatische Herleitung vl kritisieren kann.

Jedenfalls wird dies aber nicht die letzte Entscheidung zum neuen Anrechnungsrecht sein, das doch einige Rechtsfragen aufwirft. Gerade in diesem komplexen Rechtsgebiet könnten viele Streitigkeiten durch eine vorausschauende Planung und erbrechtliche Beratung vermieden werden. Das Erbrechtsteam von Müller Partner Rechtsanwälte unterstützt Sie im Anlassfall bei der Formulierung von letztwilligen Verfügungen und allenfalls auch gerichtlichen Durchsetzung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Gerne stehen wir für eine umfassende Beratung persönlich, wie auch telefonisch oder per Videokonferenz, zur Verfügung.

DDr. Katharina Müller, TEP
Dr. Martin Melzer, LL.M.

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