1. Einleitung
Die aktuelle Entscheidung des OGH vom 25.11.2021 zu 9 Ob 8/21y betrifft das Thema der solidarischen Haftung der Mitglieder des Stiftungsvorstandes und insbesondere des Regresses unter den haftenden Personen.
Das Privatstiftungsgesetz enthält dazu keine besondere Regelung, weshalb die Frage, ob mehrere Mitglieder des Stiftungsvorstandes der Privatstiftung solidarisch haften, nach den allgemeinen bürgerlich rechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Eine solidarische Haftung der Vorstandsmitglieder ist etwa dann anzunehmen, wenn eine vorsätzliche Schädigung vorliegt oder sich die Anteile des Einzelnen an dem Schaden nicht mehr bestimmen lassen (§ 1302 ABGB). Eine solidarische Haftung sagt aber noch nichts darüber aus, wer den Schaden letztlich im Innenverhältnis tragen muss bzw wie hoch die Schadenstragungsquote für jeden einzelnen ausfällt. Zwischen den Organmitgliedern besteht nämlich die Möglichkeit des Regresses.
2. Die konkrete Entscheidung (OGH 25.11.2021, 9 Ob 8/21y)
Die konkrete Entscheidung ist eine Fortsetzung des Rechtsstreits, dessen erstes Kapitel bereits am 26.01.2017 vom OGH zu 3 Ob 247/16v entschieden wurde. Die am 2012 Verstorbene hatte mit Kodizill letztwillig eine Privatstiftung errichtet und drei Personen, darunter einen Rechtsanwalt zu Mitgliedern des ersten Stiftungsvorstands bestimmt. Im Verlassenschaftsverfahren gaben zunächst die Tochter der Verstorbenen und schließlich auch die Vorstandsmitglieder im Namen der (noch nicht gegründeten) Privatstiftung Erbantrittserklärungen ab, obwohl die Privatstiftung nur Vermächtnisnehmerin war.
In dem daraufhin zwischen der Tochter und der Privatstiftung in Gründung entbrannten Erbrechtsstreit stellte das Verlassenschaftsgericht das alleinige Erbrecht der Tochter fest und wies die Erbantrittserklärung der Privatstiftung in Gründung ab. Die Privatstiftung wurde überdies verpflichtet, der Tochter Verfahrenskosten iHv EUR 246.000,- zu ersetzen. Da die Privatstiftung noch nicht im Firmenbuch eingetragen war, traf die Haftung direkt die Vorstandsmitglieder.
Einen überwiegenden Teil der Kosten, EUR 140.000,- trug letztlich jenes Vorstandsmitglied, das zugleich emeritierter Rechtsanwalt war. Der Versuch, sich bei den anderen (laut den Feststellungen: rechtsunkundigen) Vorstandsmitgliedern in einem Verhältnis nach Köpfen zu regressieren, scheiterte nun vor dem OGH.
Als ausschlaggebend für eine unverhältnismäßig hohe Haftung des rechtskundigen Vorstandsmitglieds sah der OGH folgende Gründe an:
Er war langjähriger Vertrauensanwalt der Verstorbenen, der alle rechtlichen und wirtschaftlichen Dinge der Privatstiftung regeln sollte. Er qualifizierte die letztwillige Zuwendung an die Privatstiftung als Erbe und klärte die beiden anderen rechtsunkundigen Vorstandsmitglieder nicht über die Folgen einer Legatseinsetzung auf. Er kommunizierte ihnen, dass die Privatstiftung den Erbrechtsstreit nicht verlieren könne, worauf sie vertrauten. Zudem trat er ihnen gegenüber (insbesondere im Hinblick auf seine Rechtsansicht) stets sehr resolut und einschüchternd auf, sodass sie die von ihm für die Privatstiftung getroffenen Entscheidungen und Handlungen im Verfahren mangels besserer Kenntnis nicht anzweifelten und mittrugen.
Bis auf die Mitunterfertigung der Erbantrittserklärung haben die zwei übrigen Mitglieder keine Zurechnungsgründe im Innenverhältnis gesetzt.
3. Fazit
Im Leitungsorgan der Privatstiftung kommt es also nicht zwingend zu einer Haftung nach Köpfen, sondern im Einzelfall ist auf die Zurechnungsgründe Bedacht zu nehmen. Im Falle einer ausdrücklichen Ressortverteilung wird die Sachlage oft recht klar sein. Fehlt eine solche, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
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DDr. Katharina Müller, TEP / Dr. Martin Melzer, LL.M.