Kaum eine Vorstandsbestellung und wieder Abberufung hat in den letzten Jahren so viel Wellen geschlagen wie jene von Peter Sidlo in den und aus dem Vorstand der Casinos Austria AG. Kein Wunder, dass die Sache auch ein gerichtliches Nachspiel hatte und kürzlich sogar den Obersten Gerichtshof beschäftigt hat (6Ob47/23i). Die Pointe vorweg: Peter Sidlo hat in allen drei Instanzen gegen die Casinos verloren. Aber was wollte er eigentlich und worum ging es?
Knapp EUR 1,7 Millionen an (weiteren) Ansprüchen aus seinem Vorstands-Anstellungsvertrag wollte er, weil dieser unrechtmäßig (fristlos) beendet worden sei. Zur Erinnerung: Solche als freie Dienstverträge zu qualifizierenden und immer befristet abgeschlossene Verträge sind seitens der Gesellschaft nicht ohne Weiteres kündigbar sondern, etwas vereinfacht gesagt, nur bei Vorliegen eines wichtigen Grunds (ebenso, wie der gesellschaftsrechtliche Abberufungsakt durch den Aufsichtsrat eines wichtigen Grunds bedarf).
Bleibt die Frage, warum der Oberste Gerichtshof die (sofort mit der Abberufung und mit der Argumentation des Vorliegens eines wichtigem Grunds vorgenommene) Beendigung durch die Casions als rechtlich einwandfrei ansah. Hier müssen wir uns den Sachverhalt kurz in Erinnerung rufen: Der damalige Vize-Kanzler Heinz Christian Strache hatte die Bewerbung Sidlo’s für den Vorstand der Casinos „massiv gefördert“. Die Republik Österreich ist bekanntlich ein großer Aktionär der Casinos und es wurde wohl heftig partiepolitisch interveniert. Herrn Sidlo war, so stellte es das Gericht fest, bewusst, dass seine Mitgliedschaft in der FPÖ ausschlaggebend für die Förderung seiner Bestellung in den Vorstand der Casinos war („Ohne die massive politische Unterstützung wäre der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Glücksspielkonzern als Kandidat vorgeschlagen und in weiterer Folge nicht zum Vorstand der Beklagten bestellt worden“, sagt der OGH wörtlich).
Kurz nach Dienstantritt von Herrn Sidlo bei den Casinos wurde das IBIZA-Video publik. In Folge der dort getätigten Äußerungen des damaligen Vizekanzlers geriet der „Postenschacher“ in den Fokus der Opposition und wurde in weiterer Folge, einhergehend mit äußerst negativer Berichterstattung über die Casinos, in den Fokus der Öffentlichkeit. Es gab dazu auch eine parlamentarische Anfrage, welche der Aufsichtsrat der Casinos auch Herrn Sidlo zur Kommentierung weiterleitete. Dieser antwortete eher ausweichend und behauptete in seiner Antwort insbesondere auch, dass ihm politische Absprachen rund um seine Bestellung nicht bekannt seien.
Die ganze Sache ging an den Casinos natürlich nicht spurlos vorbei. Der OGH stellt wörtlich fest: „Aufgrund der intensiven Medienberichterstattung war die Stimmung unter den Mitarbeitern der Beklagten sehr schlecht; sie waren nicht gewohnt, ihr Unternehmen derart kritisch in den Medien dargestellt zu sehen. Der Unmut der Mitarbeiter richtete sich auch gegen den Umstand der Untätigkeit auf Führungsebene. Auch die öffentliche Meinung war negativ. Da Glaubwürdigkeit, Seriosität und Integrität für ein Glücksspielunternehmen von besonderer Bedeutung sind, blieben auch Gäste aus oder konfrontierten die Mitarbeiter mit der negativen Berichterstattung. Von Seiten des Vorstands wurde versucht, durch zahlreiche interne Kommunikationsmaßnahmen Beruhigung in die Belegschaft zu bringen. Da dies nicht gelang, wurde Ende November 2019 eine Managementklausur unter Teilnahme der Direktoren aller Betriebe abgehalten, wo ebenfalls über die katastrophale Stimmung unter den Mitarbeitern und bei den Gästen gesprochen wurde.“ Infolgedessen wurde Herr Sidlo wegen „grober Pflichtverletzung, schwerer Imageschädigung und Reputationsverlust“ abberufen. In weiterer Folge wurde auch noch Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorgetragen.
Aber was hat den OGH letztlich überzeugt, dass eine „Fristlose“ gerechtfertigt gewesen ist? Das Erstgericht meinte „grobe Pflichtverletzung“, weil Herr Sidlo die oben erwähnte Anfrage zu den gegenständlichen Vorwürfen nicht ordnungs-/wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Das Berufungsgericht ging davon ab und meinte es sei in Folge der medialen Berichterstattung ein der „Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung“ gleichkommender Abberufungsgrund gegeben gewesen. Das wollte der OGH nicht so recht teilen, ließ die Frage aber letztlich offen . Das Höchstgericht sah nämlich, wie das Erstgericht, eine grobe Pflichtverletzung verwirklicht. Dies wegen mangelnder Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat. Dabei wurde Herrn Sidlo nach meinem Verständnis letztlich primär zum Verhängnis, dass er gegenüber dem Aufsichtsrat behauptet hatte, politische Absprachen bezüglich seiner Bestellung seien ihm nicht bekannt. Das war, legt man den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, einfach gelogen und, in Anbetracht der heiklen Umstände, für den OGH genug für eine grobe Pflichtverletzung. Ob dadurch ein Schaden eingetreten oder gar Schädigungsabsicht gegeben gewesen sei, darauf kam es dem Höchstgericht nicht an.
Was können amtierende Vorstandsmitglieder nun aus der, samt Zinsen und Kosten wahrscheinlich EUR 2 Millionen teuren Lüge des Herrn Sidlo lernen? Maximal Transparenz gegenüber dem Aufsichtsrat, womit nicht nur Lügen unvereinbar sind. Auch das Aussparen eines Teils der Wahrheit ist heikel und Auskünfte an den Aufsichtsrat sollten generell immer „sachlich richtig, klar gegliedert, übersichtlich und vollständig“ sein, so sagt es das Höchstegerich wörtlich.
Gernot Wilfling