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Vertragsaufhebung bei fehlender Sicherstellung: Risiko für Bauherren

Österreichische Bauzeitung 14 2024

6. November 2024

Der Werkunternehmer hat das jederzeitige Recht, vom Werkbesteller eine Sicherstellung zur Sicherung seiner Werklohnforderung zu verlangen. Wird die Sicherstellung vom Werkbesteller nicht geleistet, ist der Werkunternehmer zur Aufhebung des Vertrages berechtigt. Die Aufhebung des Vertrages führt zum Verlust sämtlicher Erfüllungsansprüche des Werkbestellers. Davon sind auch die Gewährleistungsansprüche umfasst. Diese Rechtsfolge ist den Auftraggebern in vielen Fällen nicht bewusst.

Gesetzliche Grundlagen

Der Unternehmer eines Bauwerkes, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils davon kann vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgelts, bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, bis zur Höhe von zwei Fünftel des vereinbarten Entgelts, verlangen. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden (§ 1170b Abs 1 ABGB).

Das Recht auf Sicherstellung besteht vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bis zur vollständigen Zahlung des vereinbarten Entgelts. Sie kann jederzeit gegenüber dem Werkbesteller eingefordert werden.

Wird sie vom Werkunternehmer verlangt, ist sie binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des Unternehmers nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nach, kann der Unternehmer unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§ 1170b Abs 2 ABGB).

Im Zusammenhang mit der Vertragsaufhebung wird in § 1170b Abs 2 ABGB auf § 1168 Abs 2 ABGB und damit auf die Rechtsfolgen des § 1168 Abs 1 ABGB verwiesen. § 1168 Abs 1 ABGB normiert, dass der Werkunternehmer im Falle des Unterbleibens der Ausführung des Werkes seinen Entgeltanspruch grundsätzlich behält. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (Abzug der ersparten Aufwände). Doch was passiert mit den Ansprüchen des Werkbestellers, insbesondere seinen Gewährleistungsrechten bei mangelhafter Werkausführung durch den Auftragnehmer?

Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung

Wird die verlangte Sicherstellung nicht geleistet, erklärt der Werkunternehmer unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung und verstreicht diese ungenützt, gilt der Vertrag als aufgehoben.

Für den Werkbesteller bedeutet dies, dass er jeglichen Erfüllungsanspruch gegenüber dem Werkunternehmer verliert. Dazu zählen auch sämtliche Gewährleistungsansprüche. Sowohl bekannte als auch unbekannte Gewährleistungsansprüche gehen unter. Diesem Risiko setzt sich der Werkbesteller aus, wenn er die verlangte Sicherheit nicht leistet. Für Schäden außerhalb des Gewährleistungsrechts kommt weiterhin das vertragliche Schadenersatzrecht zur Anwendung.[1]

Der Werkunternehmer hingegen behält seinen Entgeltanspruch abzüglich seiner Ersparnisse. Dabei sind auch die Gewährleistungsansprüche abstrakt als Ersparnisse anzurechnen, weil sich der Werkunternehmer einen allfälligen Verbesserungsaufwand erspart. Rechtsprechung zu der Frage, wie sich die Höhe der Ersparnisse für Gewährleistungsansprüche genau berechnen lässt, liegt bisher nicht vor. Es gilt jedoch, dass die Ersparnisse vom Werkbesteller zu behaupten und zu beweisen sind.[2]

Praxistipp: Für den Werkbesteller gilt es zu bedenken, dass er im Falle der Vertragsaufhebung aufgrund einer von ihm verlangten, aber nicht geleisteten Sicherstellung, sämtliche Gewährleistungsansprüche verliert. Der Werkunternehmer hingegen hat weiterhin einen (reduzierten) Werklohnanspruch. Was vom Werklohn abzuziehen ist, ist vom Besteller zu behaupten und zu beweisen.

Katharina Müller

Der Artikel erschien in der Österreichischen Bauzeitung 14 2024. PDF DOWNLOAD

 

 

[1] Berlakovits/Stanke, Das Sicherstellungsrecht im des Auftragnehmers gemäß § 1170b ABGB, in FS Georg Karasek (2018) 77.

[2] Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 Rz 18, 34.