Aufgrund des Ausbruchs der COVID-19 Pandemie sind viele Vertragsverhältnisse in eine Schräglage geraten. Verträge können nicht erfüllt werden und die Vertragszuhaltung führt zu unbefriedigenden Ergebnissen.
In erster Linie ist daher zu prüfen, ob bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung, diese mittels Irrtumsanfechtung, den Gefahrtragungsregeln, nachträglicher Unmöglichkeit angepasst oder aufgelöst werden können. Doch die genannten Rechtsinstitute stoßen bald an ihre Grenzen. So kommt eine Irrtumsanfechtung wegen Zukünftiges nicht in Betracht und auch die Sphärentheorie kann bei einem von keiner Seite auch nur beherrschbaren Ereignis zu unpassenden willkürlichen Lösungen führen. Vor diesem Hintergrund ist als ultima ratio zu erwägen, ob eine Vertragsauflösung oder Vertragsanpassung aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt.
Nach der Rechtsprechung führt der Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Aufhebung des Vertrags oder zu seiner Anpassung in analoger Anwendung des § 872 ABGB im Weg der Vertragsauslegung.[1] Die Grenze zwischen noch zumutbaren und unzumutbaren Risken ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls und kann nur auf Grund der konkreten Umstände gezogen werden.[2]
Das Grundproblem ist der Konflikt zwischen dem Grundsatz der Vertragstreue und den auf Grund veränderter Umstände eintretenden Unzumutbarkeitssituationen. Vom Wegfall der Geschäftsgrundlage kann dann gesprochen werden, wenn das unveränderte Festhalten am Vertrag der ausgleichenden Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit entgegensteht und zufällig sowie für beide Teile planwidrig zu einer vielleicht sogar ruinösen Benachteiligung des einen und zu einem ebenso zufälligen Gewinn für den anderen Vertragsteil wird. In so einem Fall kann die Lehre von der Geschäftsgrundlage die unter den jeweiligen Verhältnissen bestmögliche Kompromisslösung zwischen den Prinzipien der Vertragstreue und der Vermeidung zufälliger krasser Unzumutbarkeit darstellen.
Das Höchstgericht hat sich in nachfolgenden Fällen mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auseinandergesetzt:
- Zu einem Reisevertrag hatte sich der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Infektionskrankheit SARS damit befasst, ob bei Wegfall der Geschäftsgrundlage in erster Linie die Anpassung des Reisevertrags anzustreben ist oder diese zur Wandlung berechtigt. Im Anlassfall betraf die Unzumutbarkeit infolge höherer Gewalt die Region Hongkong zu bereisen, weshalb der Reiseveranstalter eine Änderung der Reiseroute anbot. Der OGH entschied zwar, dass es sich um einen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage handelt, sprach jedoch aus, dass im Rahmen der Auslegung des konkreten Reisevertrags zu lösen sei, ob die angebotenen Vertragsänderungen wesentliche Punkte des Reisevertrags betrafen und die Reiseteilnehmer deswegen zur Wandlung berechtigt sind. Die Beurteilung hängt immer von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.[3]
- Die Unmöglichkeit einer bestimmten Finanzierungsart (insbesondere aus öffentlichen Förderungsmitteln) ist dann relevant, wenn beide Vertragsparteien durch Bauführung mit Fondsmitteln einen Verdienst erzielen wollten.[4]
- Die Änderung der Gesetzeslage, wenn der Bestand eines Gesetzes offensichtlich zur Geschäftsgrundlage gemacht wurde oder gar ein Rechtsverhältnis auf ein bestimmtes Gesetz aufbaute, etwa Errichtung eines Hauses mit Mitteln des WWF, stellt einen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dar.[5]
Der OGH ist insgesamt auch äußerst zurückhaltend, was die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage betrifft. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Wegfall der Geschäftsgrundlage das einzig probate Mittel für die adäquate Lösung eines Rechtsproblems darstellt.
Mag. Anna Schimmer
[1] RIS-Justiz RS0016345.
[2] 8 Ob 99/99p = SZ 72/95.
[3] OGH 14.06.2005, 4 Ob 103/05h.
[4] 8 Ob 532/82 Miet 34.130.
[5] 7 Ob 192/72 SZ 45/92; 8 Ob 60/70 SZ 43/63 = JBl 1970, 420 = EvBl 1971/2; 1 Ob 180/74 Miet 26.066; 3 Ob 645/76 29.104.