In seinem Erkenntnis vom 10.2.2016 (Ra 2017/15/0021) befasste sich der VwGH mit der Frage, inwieweit die Bezahlung bzw Herausgabe von Pflichtteilsansprüchen durch eine Privatstiftung vom steuerlichen Zuwendungsbegriff erfasst wird und in weiterer Folge der Kapitalertragssteuer (KESt) unterliegt.
SACHVERHALT
Die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten auf den Schenkungspflichtteil richten sich zwar primär gegen den Nachlass bzw nach Einantwortung gegen die Erben, dh der Schenkungspflichtteil ist zunächst bis zur Höhe des Wertes des reinen Nachlasses vom Erben zu berichtigen. Reicht der Wert des reinen Nachlasses aber zur Deckung des Schenkungspflichtteiles nicht aus, kann der Noterbe den Fehlbetrag gem § 951 Abs 1 ABGB vom Beschenkten fordern. Im vorliegenden Erkenntnis des VwGH widmete der Erblasser zu Lebzeiten sein gesamtes Vermögen einer Privatstiftung. Die Pflichtteilsberechtigten machten ihre Ansprüche mangels Deckung im Nachlass gegen die Privatstiftung geltend. Zwischen den Pflichtteilsberechtigten und der Privatstiftung wurde daraufhin ein Pflichtteilsvergleich abgeschlossen. Der VwGH prüfte im gegenständlichen Erkenntnis, ob Vermögensübertragungen einer Privatstiftung, die auf eine gesetzliche Anordnung zurückzuführen sind, vom Zuwendungsbegriff des § 27 Abs 5 Z 7 EStG erfasst sind und somit der KESt unterliegen.
FAZIT
Pflichtteilsberechtigte können unter Umständen Ansprüche auf den Schenkungspflichtteil gegen eine Privatstiftung geltend machen, wenn der Wert des reinen Nachlasses zur Deckung ihrer Ansprüche nicht ausreicht. Die Gewährung von Vermögensvorteilen durch die Privatstiftung zur Tilgung der Pflichtteilsansprüche ist nicht vom Willen des Stiftungsvorstandes getragen, die Pflichtteilsberechtigten zu bereichern. Daher handelt es sich nicht um Zuwendungen iSd EStG. Pflichtteilszahlungen einer Privatstiftung unterliegen somit nicht der KESt.
>> Mehr Details zum Begriff der „Zuwendungen“ im Steuerrecht sowie zum Erkenntnis des VwGH
DDr. Katharina Müller, TEP
Dr. Martin Melzer, LL.M., TEP