Verletzt der Werkunternehmer seine Warnpflicht, hat er den Besteller so zu stellen, wie er stünde, wenn der Warnpflicht entsprochen worden wäre. Doch hat er die Kosten für die Neuherstellung einer gebrauchten Sache mit beschränkter Nutzungsdauer in voller Höhe zu tragen?
Sachverhalt
Im Anlassfall beauftragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte im Jahr 2010 mit der Verlegung von Natursteinplatten auf der Terrasse. Sieben Jahre später kam es aufgrund übermäßiger Feuchtigkeit zu Abplatzungen und Ausblühungen. Die Feuchtigkeit war auf das zu geringe Gefälle und die fehlende Abdichtung der Unterkonstruktion zurückzuführen. Die mangelhafte Unterkonstruktion wurde zwar von einem Dritten hergestellt, war jedoch für die Beklagte leicht erkennbar. Die gewöhnliche Nutzungsdauer der Natursteinplatten beträgt 50 Jahre; die Terrasse war zwischen 2010 und 2017 uneingeschränkt nutzbar. Die Klägerin begehrte die Kosten für die Neuherstellung der Steinplatten und die Sanierung der Unterkonstruktion.
Entscheidung – OGH 8 Ob 115/23d
Der OGH bestätigt zunächst die ständige Rechtsprechung, dass der Besteller bei einer schuldhaften Warnpflichtverletzung so stellen ist, als wäre der Warnpflicht Genüge getan worden. Kosten, die im Zuge der Mängelbehebung jedenfalls angefallen wären (Sowiesokosten) – im Anlassfall die Kosten der Sanierung der Unterkonstruktion – sind nach Ansicht des OGH jedoch nicht kausal durch die Warnpflichtverletzung veranlasst. Der Argumentation der Klägerin, dass sich die Rechtsposition gegenüber dem Hersteller der Unterkonstruktion durch die unterlassene Warnung verschlechtert hätte, weil kein verschuldensunabhängiger Gewährleistungsanspruch mehr besteht, erteilte der OGH eine Abfuhr. Darin würde kein ersatzfähiger Schaden liegen, zumal die Klägerin auch nicht behauptet hätte, dass den Hersteller der Unterkonstruktion kein Verschulden treffen würde. Der OGH geht offenbar von einer „Gleichwertigkeit“ der Rechtspositionen aus, wenn dem Besteller aus Verjährungsgründen nur mehr die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs, nicht aber auch noch eines Gewährleistungsanspruchs offen steht.
Der OGH bestätigt überdies die ständige Rechtsprechung, dass sich der Besteller bei Neuherstellung einer gebrauchten Sache mit begrenzter Nutzungsdauer jenen Vorteil anrechnen lassen muss, der darin gelegen ist, dass er nunmehr über eine Sache verfügt, die er entsprechend länger nutzen kann („neu für alt“). Dies ist nach Ansicht des OGH insbesondere bei der Neuherstellung von Gebäudeteilen gegeben, die typischerweise vor dem Ablauf der Gesamtnutzungsdauer des Hauses erneuert werden müssen, wie etwa Heizungsanlagen, Fußbodenbeläge, Sanitärinstallationen oder Malereien. Der von den Vorinstanzen vorgenommene Abzug von 12%, basierend auf der Nutzungsdauer von 50 Jahren, wäre von der Rechtsprechung des OGH gedeckt.
Zu einem allfälligen Mitverschulden des Bestellers, wie dies die Lehre bei einem beigestellten „Stoff“ – wie gegenständlich der Unterkonstruktion – bejaht, führt der OGH nicht aus.
Fazit
Die Entscheidung des OGH verdeutlicht die Konsequenzen einer schuldhaften Warnpflichtverletzung im Baurecht. Die Klägerin erlangte nur teilweisen Erfolg bei der Geltendmachung von Schadensersatz. Der OGH betonte, dass Sowiesokosten, die unabhängig von der Warnpflichtverletzung anfielen, nicht zu erstatten sind. Eine Verschlechterung des Rechtsposition (Verlust von Gewährleistungsansprüchen) ändert daran – zumindest bei Verschulden des Dritten für die Sowiekosten – nichts. Der Besteller hat sich bei einer gebrauchten Sache mit beschränkter Nutzungsdauer einen Abzug “neu für alt” gefallen zu lassen.
Mag. Mathias Ilg, MSc
Den von Mathias Ilg erschienen Artikel in der Österreichischen Bauzeitung (Ausgabe 3/2024) finden sie hier als PDF zum download